Argentinien
Argentinien: Hoher Offizier wegen Kindesraubes verurteilt
Oberstleutnant hatte Baby von verschwundenen Regimegegnern als sein eigenes Kind ausgegeben
Buenos Aires - Im Zusammenhang mit der Verschleppung von Kindern politischer Gefangener während der argentinischen Militärdiktatur ist am Donnerstag (Ortszeit) erstmals ein hoher Militär verurteilt worden. Ceferino Landa, Oberstleutnant in Ruhestand, erhielt eine Haftstrafe von neuneinhalb Jahren wegen Freiheitsberaubung und Fälschung von Papieren eines Kindes, das er als sein eigenes ausgegeben hatte. Seine Frau wurde wegen Komplizenschaft zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt, erhält aber lediglich Hausarrest, weil sie über 70 Jahre alt ist. Das Gericht in Buenos Aires ging über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus, die sieben Jahre und sieben Monate Haft für den Ex-Militär gefordert hatte. Dieser beteuerte, er habe nicht gewusst, dass es sich bei dem Kind um die Tochter von Regimegegnern gehandelt habe.
Die heute 23-jährige Claudia Poblete war Landa nach dessen Angaben 1978 im Alter von acht Monaten von einem Militärarzt übergeben worden. Ihre leiblichen Eltern, der Chilene Jose Poblete und seine argentinische Ehefrau Gertrudis Hlaczick, wurden im gleichen Jahr verschleppt und zusammen mit ihrem Baby in das Folterzentrum "El Olimpo" in Buenos Aires gebracht. Seitdem fehlt von ihnen jede Spur. Das Ehepaar Landa ließ für das Kind Papiere auf den Namen Merdcedes Beatriz Landa ausstellen.
Der Fall flog erst durch die Nachforschungen der Menschenrechtsgruppe "Großmütter der Plaza de Mayo" auf. Dieser Gruppe gelang es bisher, 70 Menschen ihre Identität zurückzugeben, die als Kinder unter der Militärjunta ihren inhaftierten Eltern weggenommen und vor allem an regimetreue Paare weitergegeben wurden.
Während der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 wurden insgesamt 30.000 Menschen getötet oder verschwanden spurlos. Im März 1976 hatte sich die Armee unter Führung von General Jorge Rafael Videla an die Macht geputscht. 1985 wurde er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, 1990 jedoch amnestiert. 1998 wurde Videla erneut verhaftet: Wegen der Entführung von fünf neugeborenen Kindern inhaftierter Regimegegner wurde ein Verfahren gegen ihn eingeleitet. Der heute 75-Jährige steht derzeit unter Hausarrest. Im Gegensatz zu anderen Menschenrechtsverletzungen fallen Kindesentführungen in Argentinien nicht unter die Amnestiegesetze von 1989 und 1990, auf Grund derer der damalige Staatspräsident Carlos Menem den ehemaligen Juntachef, General Reynaldo Bignone, und andere 1985 zu Haftstrafen verurteilte Militärs begnadigt hatte. (APA)