Die Menschen hörten seinen Namen und mussten lachen. Ob herzlich, schelmisch, hämisch, verächtlich, ob aus Anteilnahme an einer heroischen Witzfigur oder aus Schadenfreude über die öffentlich-rechtliche Demaskierung - ihm schien es egal zu sein. Udo Proksch nahm nichts und niemanden ernst, zum Glück nicht einmal sich selbst. Nur die ihm sehr nahe waren, müssten es besser wissen. - War ihm wer sehr nahe? Mit einem Prominenten, der stirbt, wird Österreich versöhnlich, egal was er sich geleistet, wo er zuletzt gesteckt hat, und war es im Gefängnis. Udo Proksch, der Komiker, spielte ein Leben lang Glanzrollen: den Schafhirten, der sich zum Nobelkonditor emporarbeitete; den Clubchef der 1945 geborenen "klassen Burschen", die es geschafft hatten (nichts bestimmtes, einfach nur "es") und die sich dafür ein paar sinnliche Freuden gönnten; den durch einen scherzhaften Militärputsch an die Spitze gelangten Sprengmeister der sozialistischen Partei; den überdrehten Mann mit Stock und Handschellen im Gericht, der Mikrofone zerlegte und steife Juristen verarschte; zuletzt den schrulligen Karlauer Häf'nbibliothekar mit der spitzen Zunge und dem schwachen Herz. Den Mann mit 21 Gesichtern, hinter denen er professionell sein eigenes verbarg. Gab es wen, der es kannte? Man wäre geneigt, ihm einen gnädig liebevollen Nachruf zu widmen, wäre da nicht der sechsfache Mord im Indischen Ozean gewesen. Da hört sich jener Spaß auf, der ihn die österreichische Politik der 70er Jahre erobern ließ, mit denen er wie ein Hofnarr die Einflussreichen um sich scharrte, um ihnen Macht als Abenteuer zu verkaufen. Dabei wurde er selbst immer wahnwitziger. Lucona forderte sechs Tote 1977 ließ er das Frachtschiff Lucona sprengen, um die Versicherungssumme für eine vermeintlich an Bord befindliche Uranerzaufbereitungsanlage zu kassieren. Sechs Seeleute kamen ums Leben. - Journalist Hans Pretterebner deckte den Fall mit all seinen politischen Dunstkreisen und dem dichten Netz österreichischer Verhaberungen und Verschleierungen auf. Übrig blieb die Anklage des sechsfachen Mordes. Nein danke, damit wollten seine Freunde nichts zu tun haben. Die sich nicht schnell genug von ihm distanzierten, mussten zurücktreten (Leopold Gratz) oder wurden suspendiert (Karl-Heinz Demel). 1990, im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts, war Proksch allein mit sich und seiner Flucht davor ins Lächerliche. Sein Victoria-Zeichen fand im Publikum keinen Abnehmer mehr. Noch einmal versuchte er, dem Würgegriff der Justiz zu entfliehen. "Würden mir gemeinsam beim Heurigen sitzen, hätten wir bestimmt viel Spaß miteinander", sagte er zum Staatsanwalt. Komisch, der lachte nicht. Udo Proksch hat den geplanten und von ihm vorbereiteten Untergang der Lucona niemals zugegeben. Dem Gericht war die "Wahrheitsfindung" 130 Millionen Schilling Wert. Das Wrack wurde unter Wehklagen der Justiz geborgen. Gutachter rekonstruierten tatsächlich eine "Sprengung von innen". Dennoch hätten zwei der acht Geschworenen Proksch im Zweifel freigesprochen. Späte Tränen 1992 wurde das Mordurteil rechtskräftig und die Strafe von 20 Jahren auf lebenslang angehoben. "Es sind zwei Meinungen hier im Raum, meine und die andere", begann Proksch damals sein Schlusswort: "Meine Meinung ist die wichtigste. Und die ist, dass ich es nicht war. In meinen Augen ist das alles verdreht worden. Es versteht ja hier keiner was von der Seefahrt." In diesem allerletzten Prozess im Justizpalast legte Proksch für wenige Augenblicke seine Clownmaske ab und leistete sich erstmals Anflüge von Selbstmitleid. "Es sind nicht die Frauen, die ich vermisse oder die Bäume, sondern. . ." Er schluchzte, versuchte sich zusammenzureißen, setzte fort: "Es sind meine Kinder, die Zeit geht einem einfach ab." - Da weinte er. Das sah man sonst nie. Damit hatte er alle überrascht. Der Vorsitzende versuchte, die betretene Stimmung abzufangen und wiederholte: "Die Kinder fehlen Ihnen also." - Proksch, mit einem Mal wieder stark in der Stimme, Sieger im Kampf gegen die eigene Sentimentalität, erwiderte: "Ja, aber wenn ich frei wäre, würde ich mich wahrscheinlich erst recht nicht um sie kümmern." (DER STANDARD, Print, 30.6.2001)