Kosovo
Die erste Anhörung vor dem Tribunal
Den Haag - Der ehemalige jugoslawische Präsident
Slobodan Milosevic ist am Dienstag erstmals vor dem
UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag erschienen. Das Tribunal hat
ihn wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im
Kosovo-Krieg 1999 angeklagt. Der Ex-Präsident weigerte sich aber,
dazu Stellung zu nehmen. AFP dokumentiert im Folgenden die Anhörung
Milosevics im Wortlaut:Vorsitzender Richter Richard May:
Hier handelt es sich um die erste Vorführung des Angeklagten nach
seiner Überstellung an das Gericht. (...) Herr Milosevic, wie ich
sehe, haben Sie keinen Verteidiger. (...) Sie haben zwar das Recht,
sich selbst zu verteidigen. Sie haben aber auch das Recht auf
Beistand, und Sie sollten gut darüber nachdenken, ob es in Ihrem
Interesse ist, wenn Sie keinen Rechtsbeistand haben. Der Prozess wird
lang und kompliziert werden, und vielleicht wollen Sie Ihre
Entscheidung überdenken. (...) Wollen Sie Bedenkzeit haben, um
darüber nachzudenken, ob Sie einen Rechtsbeistand wollen?
Milosevic (auf Englisch):
Ich halte dieses Tribunal für ein falsches Tribunal und die
Anklage
für eine falsche Anklage. Es ist illegal, weil es nicht von der
UNO-Vollversammlung einberufen wurde, und deshalb brauche ich keinen
Rechtsbeistand für ein illegales Organ.
Richter:
Herr Milosevic, Sie werden zu gegebener Zeit die Gelegenheit
haben,
Anträge zu stellen (...). Wir gehen jetzt davon aus, dass Sie heute
ohne Beistand fortfahren wollen, obwohl es eine Sache ist, die Sie
vielleicht zu gegebener Zeit überdenken wollen. Diese erste Anhörung
ist dazu da, diese Fragen zu klären, zuallererst die Anklage und
zweitens, ob Sie sich für schuldig oder nicht schuldig erklären
wollen. (...) Wollen Sie, dass die Anklage verlesen wird oder nicht?
Milosevic:
Das ist Ihr Problem.
Richter:
Herr Milosevic, Sie stehen jetzt vor diesem Gericht und müssen
sich mit seiner Rechtssprechung auseinander setzen. Das Gericht wird
über Sie urteilen. (...) Die Kammer nimmt Ihre Reaktion als Verzicht
auf Ihr Recht, die Anklageschrift verlesen zu bekommen. (...) Im
nächsten Schritt des Verfahrens wird ihnen die Anklageschrift bekannt
gemacht. Herr Milosevic, wenn Sie möchten, können Sie Zeit bekommen,
um ihre Verteidigung vorzubereiten. Laut den Regeln stehen Ihnen
dafür bis zu 30 Tagen zu, falls Sie die Angelegenheiten, für die Sie
sich zu verteidigen haben, nicht verstehen, oder Sie sich vor Ihrer
Verteidigung beraten lassen wollen. Andererseits können Sie heute
schon mit ihrer Verteidigung beginnen. Wollen Sie heute schon mit
Ihrer Verteidigung beginnen, oder beantragen Sie eine Vertagung, um
über die Angelegenheit weiter nachzudenken?
Milosevic (von nun an auf Serbisch):
Ziel dieses Gerichtsverfahrens ist, eine falsche Rechtfertigung
für
die Verbrechen der NATO in Jugoslawien zu liefern.
Richter:
Herr Milosevic, ich habe Ihnen eine Frage gestellt: Wollen Sie
heute schon mit Ihrer Verteidigung beginnen, oder beantragen Sie eine
Vertagung, um über die Angelegenheit weiter nachzudenken?
Milosevic:
Ich habe Ihnen geantwortet. Darüberhinaus ist dieses so genannte
Tribunal ... (Rest des Satzes ist unverständlich)
Richter:
Wenn ein Angeklagter nicht mit seiner Verteidigung beginnt, geht
die Kammer laut den Regeln davon aus, dass er sich für nicht
schuldig hält. Herr Milosevic, wir behandeln Ihre Antwort als eine
nicht abgegebene Verteidigung und geben zu Protokoll, dass Sie sich
in jedem Anklagepunkt für nicht schuldig halten.
Milosevic:
Wie ich bereits gesagt habe, ist das Ziel dieses
Gerichtsverfahrens, die Verbrechen in Jugoslawien zu rechtfertigen.
Dies ist ein falsches Gericht, ein illegales ... (Übersetzer bricht
ab, sagt, dass Mikrofone ausgefallen sind)
Richter:
Herr Milosevic, dies ist nicht die Zeit, um Reden zu halten. Wie
ich gesagt habe, haben Sie dazu zu gegebener Zeit volle Gelegenheit.
Die Angelegenheit ist hiermit vertagt. .... (APA)