Graz - "Jetzt pfeif' ich bald drauf und geh' heim schlafen." Er schwitzt. Steht er doch seit zwanzig Minuten an der Bushaltestelle am Grazer Jakominiplatz. Im schwülen Mittagsdunst. Und wartet. Auf den Bus. Der einfach nicht kommt. "Nur weil die glauben, sie müssen zu Mittag streiken, komm' ich nicht in meinen Schrebergarten." Aber, mit einem schiefen Blick nach oben: "Eigentlich verstehe ich die Schaffner. Unsere Stadtwerke darf man nicht verkaufen." Und klingt dabei persönlich beleidigt. Als ob man ihm seinen Garten abluchsen wollte.

Kein Verkehrschaos

Donnerstagmittag stand der öffentliche Verkehr in Graz für einige Stunden still. Aus Protest über den geplanten Verkauf des Energiebereichs der Grazer Stadtwerke AG setzte der Stadtwerke-Betriebsrat zur Mittagszeit eine Betriebsversammlung an. "Das ist aber kein Streik", wurde mehrmals betont. Alle Busse und Straßenbahnen der Grazer Verkehrsbetriebe (GVB) wurden eingezogen. Nur auf den Schienen gab es einen Ersatzverkehr mit 23 Bussen. Doch das befürchtete Verkehrschaos blieb aus. Und viele zeigten Verständnis für das Muskelspiel der Gewerkschaft. "Ich verstehe die. Denn es soll alles bleiben, wie es war. Eine Privatisierung ist doch langfristig eine Katastrophe", meint ein Angestellter im Anzug. Er gehe auch "aus Solidarität" zu Fuß auf Mittagspause.

Unterdessen marschierten rund zwei Drittel der 1500 Mann starken Stadtwerke-Belegschaft in der GVB-Remise zur Versammlung auf. Bewaffnet mit rot beschrifteten Transparenten, wie "Ja zu den Stadtwerken. Nein zum Verkauf". "Man darf ja nicht die Grundreserve der Stadt aus der Hand geben", wetterte Peter Balazic, Betriebsrat der Strom-Angestellten, vor der Versammlung. Der von VP und FP favorisierte Totalverkauf des Energiebereichs sei ein "Ausverkauf" der gewinnträchtigen Stadtwerke-Teile. Die Stadt müsse auf jeden Fall die Mehrheit behalten. Weiters seien der angepeilte Erlös von rund sechs Milliarden Schilling (436 Mio. Euro) und das vorgeschlagene Renditenmodell "nicht schlüssig".

Diese Kostenrechnung geht auf den Bericht des Stadtwerke-"Weisenteams" rund um den Konsum-Liquidator Hans Jörg Tengg hervor. Im Büro von Finanzstadtrat Siegfried Nagl (VP), der den Verkauf unbedingt noch vor der Strommarkt-Liberalisierung über die Bühne bringen will, zeigt man sich kopfschüttelnd über die GVB: "Das ist doch alles völlig überzogen."

Die Gewerkschaft machte auch genau an dem Tag Druck, an dem im Gemeinderat auf Drängen von VP und FP der Startschuss für die Käufersuche erfolgen sollte. SP, KP und Grüne sind strikt dagegen. Als Käufer ist die Energie Steiermark AG im Gespräch. Doch im Büro Nagl legt man sich nicht fest: "Es wird sicher jedem Unternehmen ermöglicht, ein Angebot zu stellen." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.7. 2001)