Kranke Kanadier erhalten die Droge vom Gesundheitsministerium
In Kanada können Menschen,
denen die Droge Marihuana
bei der Linderung ihrer
Schmerzen hilft, Hoffnung
schöpfen. Zu medizinischen
Zwecken dürfen Kranke nun
legal Marihuana anbauen und
konsumieren. Sie erhalten dazu vom Gesundheitsministerium in der Hauptstadt Ottawa
einen Personalausweis mit Foto, der sie gegenüber der Polizei als rechtmäßige Marihuanabesitzer und -produzenten
ausweist.
Das kanadische Gesundheitsministerium gab dieser
Tage bekannt, das entsprechende Gesetz sei ab Ende Juli
gültig. Bisher waren Anbau,
Besitz und Einnahme von Marihuana in Kanada in jedem
Fall illegal. Die Nutznießer der
neuen Ausnahmeregelung
sind vor allem tödlich erkrankte Menschen, die nur
noch kurz zu leben haben.
Auch jene, die an schweren
Erkrankungen wie Multipler
Sklerose, Verletzung der Wirbelsäule, Aids, Krebs, schwerer Form von Arthritis oder
Epilepsie leiden, sind in der
Gruppe der potenziellen Marihuana-Empfänger.
Ärztliche Kontrolle
Die Droge soll hauptsächlich gegen Schmerzen eingesetzt werden, die von herkömmlichen Medikamenten
nicht wirksam gelindert werden. Wer aus solchen Gründen Marihuana braucht, kann
sich mit der Unterstützung eines Arzts beim Gesundheitsministerium um eine Genehmigung bewerben. In gewissen Fällen braucht es eine Bestätigung von zwei Ärzten.
Die Kranken dürfen entweder ihr eigenes Kraut anbauen
oder es von einer anderen Person beziehen. Sie dürfen aber
nicht mehr als einen Marihuanavorrat für 30 Tage Behandlungen besitzen. Kranke
können den Stoff künftig auch
vom kanadischen Staat beziehen. Die Regierung hat einen
Vertrag mit der Firma Prairie
Plant Systems Inc. abgeschlossen, die dem Gesundheitsministerium in den kommenden
fünf Jahren 1865 Kilogramm
Marihuana für rund 5,7 Millionen kanadische Dollar
(62 Millionen Schilling oder
4,5 Millionen Euro) liefern
wird. Prairie Plant wird die
Cannabisgewächse in 360 Metern Tiefe in einer stillgelegten
Kupfermine in Hochtechnologie-Treibhäusern ziehen und
die daraus gewonnene Droge
in Form von Zigaretten ausliefern.
Fallen gelassen hat die Regierung die Bedingung, dass
die Bewerber nachweisen
müssen, dass sie keine Drogenvergehen im Ausland begangen haben. Auch die Einschränkung, dass Marihuana
zu medizinischen Zwecken
nicht in weniger als einem
Kilometer Distanz zu Schulen
angebaut werden darf, wurde
aufgegeben. Diese Einschränkung hätte den legalen Anbau
der Pflanze in Städten praktisch unmöglich gemacht.
Musterprozess
Das neue Gesetz wurde
nach einem wegweisenden
Gerichtsurteil nötig: Der Kanadier Terry Parker erkämpfte
sich in einem 23 Jahre dauernden Gerichtsstreit das
Recht, Marihuana anzubauen
und zu rauchen, um seine
epileptischen Krämpfe zu lösen. Ein Berufungsgericht in
Toronto entschied im Sommer
2000, dass ein Verbot von Marihuanakonsum aus medizinischen Zwecken gegen die
Grundfreiheiten der kanadischen Bürger verstoße.
Das neue Gesetz kommt
aber keineswegs einer Legalisierung dieses Rauschmittels
gleich, gegen die sich Premierminister Jean Chretien weiterhin stellt. Obwohl laut einer Erhebung 47 Prozent der
Kanadier eine Legalisierung
von Marihuana befürworten.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7./8. 7. 2001)
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