Das Gesicht in Falten des Zorns und Runzeln des Ärgers gelegt, die Hände mühsam von anderen Emotionsausbrüchen als stellenweisem Klopfen zurückgehalten: So kann sozialpartnerschaftliche Ästhetik aussehen. Hans Sallmutter hat sie am Freitag zur Schau getragen: Stundenlang verfolgte er die Parlamentsdebatte, in der über den Umbau des Hauptverbandes gestritten wurde - von der Tribüne aus.
Einen anderen als den Zuseherrang hat die Koalition Sallmutter im Hauptverband künftig auch nicht zugedacht - was Sallmutter als Attacke gegen die Sozialpartnerschaft sieht. "Heute ist ein schwarzer Tag", kommentierte er, wütend und wehmütig zugleich.
Wilde Wortgefechte
Ist doch mehr geschehen, als dass der Hauptverband (ab Oktober) keinen Chef Sallmutter mehr und neue Strukturen hat. Donnerstag rief die Gewerkschaft erstmals in ihrer Geschichte zur Demo, 50.000 Menschen kamen - und nichts passierte. Die Koalition hat sich nicht beeindrucken lassen und Freitag den Hauptverband neu beschlossen.
Da blieb den ÖGB-Vertretern in der SPÖ am Freitag nur, gegen das neue Gesetz zu wettern. "Sie wollen die alleinige Macht", rief etwa ÖGB- Chef und SP-Abgeordneter Fritz Verzetnitsch der Regierung zu. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer assistierte in einer hitzigen Debatte mit Vorwürfen: "Sie machen eine Kopfjagd." Sein Antrag, über das Gesetz eine Volksabstimmung abzuhalten, hatte keine Chance auf eine Mehrheit. So donnerte Metallerchef Rudolf Nürnberger für die SPÖ weiter und prophezeite den Wirtschaftsvertretern eine Schwächung: "Die Vertreter der Wirtschaft werden noch draufkommen."
Vorerst waren die Wirtschaftsvertreter zufrieden. Schließlich haben sie sich wochenlang - im Stil alter sozialpartnerschaftlicher Ästhetik - von der Regierung umgarnen lassen, bis der Entwurf herauskam, den sie wollten (Details im Artikel unten). Gleichzeitig die Sozialpartnerschaft wortreich verteidigt - und an Einfluss gewonnen: Künftig sind Arbeitgeber im Verwaltungsrat gleich stark wie Arbeitnehmer.
Das Insistieren auf der Gremienbesetzung, die auf Arbeitnehmerseite der SPÖ die Mehrheit sichert, war primär eine "Morgengabe" an den ÖGB - für die sich Wirtschaftskammergeneralsekretär Reinhold Mitterlehner eine Gegenleistung erwartet: "Es gibt eine solide Kooperation zwischen Gewerkschaft und Wirtschaftskammer. Daher soll der ÖGB den Konflikt um den Hauptverband jetzt nicht auf die betriebliche Ebene tragen" - und etwa bei Kollektivvertragsverhandlungen bocken. Hoffnungsfroh und von außen sah Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl "keinen Bruch der Sozialpartnerschaft". Allerdings sei die Zeit vorbei, in der die Regierung Vorschläge der Sozialpartner eins zu eins übernehme.
Die Wirtschaft habe sich dennoch für die Arbeitnehmer eingesetzt, sagt Wirtschaftskammergeneralsekretär Karl- Heinz Kopf. Und gibt offen zu, dass er auch längerfristig denkt: "Ich bin nicht ganz uneigennützig. Es könnte morgen eine andere Regierung da sein, die nicht wild mit der Wirtschaft umspringen soll."
Auf dieses vage Morgen hoffen auch SPÖ und Grüne - die in diesen Tagen zusammengerückt sind. "Das ist der Beginn einer Auseinandersetzung, die am Wahltag endet", argumentierte der grüne Sozialsprecher Karl Öllinger ganz im Sinne der SPÖ - und sprach vom "kalten Putsch": Die ÖVP, "eine 25-Prozent-Partei", die bei den AK-Wahlen verloren habe, werde künftig 58 Prozent der Vertreter im Hauptverband stellen. Die FPÖ sei auch vertreten - aber: "Blau kommt nur als ein kleines Tüpfchen vor."
Chefchen ins Trockene
Dennoch: Die FPÖ hat ihre Chefchen ins Trockene gebracht und sich Sitze in den Hauptverbandsgremien gesichert. Die Ergebnisse der Arbeiterkammerwahl hätten sie nicht dazu berechtigt - daher hat die Koalition die Argumentation "Minderheitenschutz" dafür kreiert. Und wortreich die neue Konstruktion verteidigt: Sozialminister Herbert Haupt meinte, es sei "schlicht und einfach falsch, dass die Regierung nach dem Hauptverband greift". Schließlich würden Präsident und Vizepräsident künftig gewählt. Er, Haupt, sei der erste Sozialminister, der auf das Ernennungsrecht verzichte. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein assistierte: Der ÖGB sei "wehleidig über den Verlust von Erbpachten".
Die Umgestaltung des Hauptverbandes ist mit schwarz-blauer Mehrheit beschlossen - die weitere Vorgangsweise des ÖGB ungewiss. In internen Sitzungen wird nun entschieden, ob die leise angedeuteten Streikdrohungen laut ausgesprochen werden - und ob man den Hauptverband neu akzeptiert und Vertreter entsendet.
ÖGB: Boykott möglich
Sallmutter kann sich auch einen Boykott des neuen Gremiums vorstellen: "Da verheizt man ja unsere Leute." Ob er den Boykott auch empfehlen wird, weiß er noch nicht: "Ich bin nicht schlüssig." Wäre doch der Boykott des ÖGB, das Selbstverwaltungsorgan zu beschicken, ein weiterer Verlust der Ästhetik der Sozialpartnerschaft.(DER STANDARD, Print, 7.7.2001)