Montevideo - Die Europäische Union und der Gemeinsame Südamerikanische Markt (Mercosur) sind auf dem Weg zu einem Freihandelsvertrag einen großen Schritt vorangekommen. Die EU schlug bei der am Freitag in Montevideo zu Ende gegangenen Verhandlungsrunde eine stufenweise Liberalisierung von 90 Prozent des Handels innerhalb von zehn Jahren vor und hauchte den stockenden Gesprächen damit neues Leben ein. Inbegriffen sind zahlreiche landwirtschaftliche Produkte. Bisher hatten insbesondere Frankreich und die Mittelmeerländer sich dagegen gesträubt, da sie die billige südamerikanische Konkurrenz bei Obst, Fleisch und Getreide fürchten. Gerade bei diesen Produkten aber ist der Mercosur besonders wettbewerbsfähig. Brasilien hatte wiederholt betont, dass ein Freihandelsabkommen mit der EU nur infrage komme, wenn auch Agrarprodukte mit einbezogen würden. Dem Vorschlag zufolge sollen Früchte, Blumen und Gemüse aus Südamerika ebenso wie Holz und Stoffe zollfrei in die EU importiert werden; bei so genannten "sensiblen Produkten" wie Fleisch, Milch, Zucker, Reis, Olivenöl, Tabak und Getreide soll separat über eine Quotenerhöhung diskutiert werden. Die Weinimporte sollen stufenweise liberalisiert werden, sofern die Herkunftsbezeichnungen geklärt sind. Bis Ende Oktober wollen die Mercosur-Länder Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay einen Gegenvorschlag machen, damit anschließend auf der Grundlage beider Papiere ein Kompromissabkommen verhandelt werden kann. Dabei sollen auch nicht tarifäre Handelshemmnise zur Sprache kommen. Bei dem von Brasilien geforderten Abbau der EU-Agrarsubventionen verwiesen die Europäer allerdings auf die Welthandelsorganisation (WTO), die dafür zuständig sei. Der Mercosur exportiert jährlich Waren im Wert von rund 15,5 Mrd. Dollar in die EU; 40 Prozent davon sind aufgrund vorheriger Vereinbarungen bereits jetzt zollfrei. EU-Außenhandelskommissar Pascal Lamy sagte der brasilianischen "Gazeta Mercantil", damit habe die EU ihr strategisches Interesse am Mercosur bekräftigt. (Sandra Weiss, DER STANDARD, Printausgabe 9.7.2001)