Wien - Der Raiffeisen Zentralbank (RZB) geht bei der Privatisierung der polnischen Postbank (Bank Pocztowy) langsam die Geduld aus. Deadline für einen Zuschlag sind die Wahlen in Polen im September. "Sonst müssen wir mit der neuen Regierung wieder bei Adam und Eva zu verhandeln beginnen", begründet RZB-Auslandschef Herbert Stepic den Termindruck. In einem ersten Schritt ist der Kauf von rund einem Drittel der Postbank-Anteile vorgesehen, die RZB soll auch die Führungsverantwortung für das Institut übernehmen. Die RZB führt seit dem Frühling Exklusivverhandlungen mit der polnischen Privatisierungsagentur. Über die Höhe des Kaufpreises hält sich Stepic bedeckt, dieser sei auch davon abhängig, welchen Vertrag die RZB mit dem Hauptaktionär, der polnischen Post, herausverhandeln könne. Das Hauptinteresse der heimischen Finanzgruppe gilt dabei primär dem flächendeckenden Netz der 7800 Postämter. "Die Postbank ist sehr viel Bank und sehr wenig Bilanzsumme", beschreibt Stepic das Objekt der Begierde. Die Bank Pocztowy hat 1300 Mitarbeiter und eine Bilanzsumme von umgerechnet zehn Milliarden Schilling. Mit dem Einstieg beim polnischen P.S.K.-Pendant will die RZB im Privatkunden-Geschäft in Polen Gas geben, ebenso wie in den meisten anderen Ländern Mittel- und Osteuropas. Nachholbedarf im Privatkundengeschäft "In den nächsten drei bis fünf Jahren werden wir vom Privatkundengeschäft leben. Aus diesem Bereich wird der Großteil der Gewinne kommen", erläuterte Stepic. In diesem Segment würde es noch immer großen Nachholbedarf geben. "Auch zehn Jahre nach Beginn der Transformation des Finanzsektors haben 40 Prozent der Ungarn noch immer kein Bankkonto", umreißt der RZB-Auslandschef das Potenzial im Osten. Neben der Forcierung des Privatkundengeschäfts setzt die Gruppe auch auf die anstehende Konsolidierung des Sektors in den Reformländern, die der RZB neue Beteiligungschancen eröffnen würde. Die Raiffeisen-Bankengruppe erzielt laut Stepic in der Region Mittel- und Osteuropa rund 50 Prozent der Erträge, während der Anteil der Ostbanken an der Bilanzsumme nur 20 Prozent beträgt. (Clemens Rosenkranz, DER STANDARD, Printausgabe 9.7.2001)