Wien - Es war wohl eine Form von politischer Überdosierung, die Sozialminister Herbert Haupt (FP) mit seinem Therapievorschlag für das Gesundheitssystem erwischt hat. Und so blieb am Dienstag von der tags zuvor noch verschriebenen Radikaltherapie der Abschaffung von Rezept- und Krankenscheingebühr nur noch eine reduzierte Dosis übrig. Lediglich Dialyse- und Organspende-Patienten sollte die Rezeptgebühr erlassen werden, blies Haupt zum geordneten Rückzug. "Absolut interessant" quittierte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (VP) nach dem Ministerrat Haupts geplanten Gebührenerlass für chronisch Kranke durch so genannte "Dauerrezepte", für die Haupt die Krankenkassen ermächtigen will. Die Medikamente sollen direkt in den Spitälern abgegeben werden. Das sei kostenneutral abzuwickeln und für die Patienten billiger. "Etwas anderes steht nicht zur Diskussion", so Schüssel. Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (FP) bescheinigte Haupt, dass es "nicht verboten ist, nachzudenken und Vorschläge zu machen". Tabu ist für Haupt hingegen ein Eingriff in die Medikamentenpreise. Er denke nicht daran, das "kommunistische System der Preisregelung einzuführen", sagte er gestern. Eine Sachkoalition mit Seltenheitscharakter zeichnete sich derweil zwischen Hauptverbandspräsident Hans Sallmutter und dem Sozialminister ab. Sallmutter zeigte sich dem Vorschlag Haupts nämlich nicht abgeneigt. Er sei "selbstverständlich gesprächsbereit" über eine "vernünftige Neuregelung". Es wären ohnehin nur rund 500 Personen betroffen. Allerdings sollten Selbstbehalte insgesamt eingeschränkt werden. Vorstellbar, so Sallmutter, wären etwa soziale Staffelungen für chronisch Kranke. Derzeit sind von den jährlich 101 Millionen rezeptgebührenpflichtigen Medikamenten etwa 20 Prozent von der Rezeptgebühr ausgenommen. Der Rest bringt 3,7 Milliarden Schilling Einnahmen. Sozialrechtler Wolfgang Mazal, vom STANDARD zu Haupt befragt, findet dessen Vorstoß derzeit "nicht nachvollziehbar". Grundsätzlich müsse allerdings festgestellt werden, dass die Krankenkasse immer mehr "Kleinrisiken" abdecke, was letztlich die Mittel für Großrisiken wie eine Krebsbehandlung schmälere. Bei Bagatellerkrankungen wäre mehr Eigenverantwortung des Patienten vorstellbar. SP-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures konzedierte einen "Rückzieher", der "erhebliche Zweifel an der Seriosität" Haupts provoziere. Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Lorenz Fritz, fordert einen "Gesundheitsdialog". (nim, mon/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. Juli 2001)