Berlin - Trotz zunehmender Warnungen von Wirtschaftsforschern vor einem Abschwung im Euroraum wollen die EU-Finanzminister an der Politik der Budgetkonsolidierung festhalten. "Es herrscht Einigkeit, dass die in den allgemeinen wirtschaftspolitischen Grundsätzen festgelegte Budgetpolitik bleiben soll", sagte der belgische Finanzminister und EU-Ratsvorsitzende Didier Reynders auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Gerade jetzt sei Budgetdisziplin besonders wichtig, damit die Länder das meiste aus dem erwarteten Anspringen der Konjunktur im zweiten Halbjahr machen können. Er rechne für 2001 mit einem Wachstum von zwei bis 2,5 Prozent in der Eurozone, aber mehr Wachstum im Jahr 2002, sagte Reynders beim EU-Finanzministertreffen in Brüssel.
Das schwache Wachstum in diesem Jahr droht nach Einschätzung von Wirtschaftsforschern die Budgetpläne von Deutschland, Italien und Frankreich über den Haufen zu werfen. Anders als im Februar, als Irland wegen einer zu inflationären Politik offiziell gerügt worden war, verzichtete die EU diesmal auf Kritik an der Wirtschaftspolitik ihrer drei mächtigsten Mitgliedstaaten.
Deutsche Schwäche
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat am Dienstag die Prognose für das heurige Wirtschaftswachstum auf ein Prozent nach unten korrigiert, der tiefste bisher genannte Wert. Vergangenen Herbst lag die DIW-Prognose noch bei 2,7 Prozent, im Frühjahr bei 2,1 Prozent. Weil in einer Abschwungphase Steuereinnahmen sinken und Sozialausgaben steigen, rechnet das Institut damit, dass das öffentliche Defizit mit 2,1 Prozent das Ziel von 1,5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt weit überschreiten wird. Dies sollte aber als Beitrag zur Wirtschaftsbelebung hingenommen werden, sagte DIW-Chef Klaus Zimmermann. Etwas weniger pessimistisch zeigte sich das Münchner Ifo-Institut, das weiterhin mit 1,2 Prozent Wachstum rechnet.
In Italien hat das Prometeia-Institut seine Defizitprognose von 1,3 auf 1,5 Prozent hinaufgesetzt, weit mehr als das mit der EU vereinbarte Ziel von 0,8 Prozent. Finanzminister Guilio Tremonti betonte, seine Regierung wolle weiterhin ein Nulldefizit bis zum Jahr 2003 erreichen. (Reuters, afs, DER STANDARD, Printausgabe 11.7.2001)