New York - Es ist geschehen: US-Forscher haben menschliche Embryonen erstmals rein für Forschungszwecke ge- bzw. erzeugt. Die Wissenschaftler vom Jones Institut für Reproduktive Medizin in Norfolk (US-Bundesstaat Virginia) ließen 50 Embryonen aus den Eizellen von bezahlten Spenderinnen sowie aus Spendersamen ausschließlich zu dem Zweck entstehen, um ihnen Stammzellen zu entnehmen. "Der Rest" der Embryonen sei anschließend zerstört worden, berichten die "Washington Post" sowie das Fachjournal "Fertility and Sterility"am Mittwoch. Pro Forscher in aller Welt hoffen, mit embryonalen Stammzellen einmal schwere Nervenleiden wie die Parkinsonsche oder die Alzheimer Krankheit heilen und krankes Gewebe von Organen wiederherstellen zu können. Doch bisher hatten die Forschungslabors in den USA sich für ihre Stammzellen-Experimente nur überzähliger Embryos bedient, die von Paaren in Fruchtbarkeitskliniken zurückgelassen worden waren. Kontra Konservative und religiöse Gruppen reagierten mit Entsetzen auf die Nachricht, berichtete die "Washington Post" vom Mittwoch. Selbst Fachleute wie Thomas Murray, Präsident des Hastings Zentrums, einer Organisation von Bioethikern in Garrison (US-Staat New York), gab zu bedenken: "Solange der Vorrat (von eingefrorenen Embryonen) ausreicht, gibt es keinen guten Grund zur Schaffung von Embryonen ausschließlich für die Forschung". Doch das Team vom Jones Institut verteidigt sich unter Verweis auf mehrere Gutachterausschüsse, die es vor Beginn seiner Arbeit um Rat gebeten hatte. Ihrer Beurteilung zufolge ist die Gewinnung von Stammzellen aus neu gezeugten Embryonen "ethisch wenigstens genauso vertretbar" wie die von überschüssigen eingefrorenen Embryonen. Ein Vorteil des neuen Verfahrens sei, dass die Spender von Eizellen und Samen von vornherein über die Bestimmung der Embryonen wüssten. Druck auf Bush Das Bekanntwerden der künstlichen Embryonen-Gewinnung in Norfolk verstärkt den Druck auf US-Präsident George W. Bush, über die Zukunft der Stammzellenforschung in den USA zu entscheiden. Die US-Regierung hatte vor knapp einem Jahr unter seinem Vorgänger Bill Clinton erstmals öffentliche Mittel für Stammzellenstudien zur Verfügung gestellt. Voraussetzung allerdings war, dass die embryonalen Stammzellen nicht mit staatlichen, sondern mit privaten Geldern erzeugt wurden. Bush fror die Mittel aus dem Staatssäckel bald nach seiner Amtsübernahme in Januar ein und versprach eine grundlegende Entscheidung. Derweil heizt sich die Debatte über embryonale Stammzellen auch in den USA auf. Die meisten Katholiken und auch politisch Konservative lehnen Studien mit menschlichen Embryonen strikt ab. Dagegen pochen Patienten, unter ihnen der querschnittsgelähmte Schauspieler Christopher Reeves, lautstark auf ihr Recht auf angemessene Behandlung. Die Forschungsstiftung für Diabetes bei Kindern und Jugendlichen hält der amerikanischen Öffentlichkeit derzeit in einer großen Fernseh- und Zeitschriftenkampagne das Bild eines elfjährigen diabeteskranken Mädchens vor Augen: "Mit Stammzellen wäre seine Heilung in Reichweite." Heftige Kritik in Deutschland Die gezielte Zucht menschlicher Stammzellen zu Forschungszwecken in den USA ist in Deutschland auf heftige Kritk gestoßen. "Menschliches Leben darf man nicht produzieren, um es gleich anschließend zu vernichten", sagte die Vorsitzende der Enquete-Kommission für Recht und Ethik des Bundestages, Margot von Renesse (SPD), am Donnerstag im Hessischen Rundfunk. Bislang wurden für die Forschung nur Embryonen aus Eizellen verwendet, die bei künstlichen Befruchtungen übrig geblieben waren. Der Import der in den USA erzeugten Stammzellen nach Deutschland wäre nach Angaben des Bundesforschungsministeriums erlaubt. (APA/dpa/Reuters)