Bludenz - Eine junge türkische Mutter, die illegal in Vorarlberg lebt, darf nicht abgeschoben werden. Das entschied der österreichische Verfassungsgerichtshof und stellte damit das Recht auf Familie über das nationale Fremdengesetz. Vor acht Jahren war die 27-jährige Frau mit einem Touristenvisum ihrem Mann, der seit 1988 in Vorarlberg arbeitet, nachgereist. Die junge Frau blieb in Bludenz, gebar drei Kinder. Ein Antrag auf Aufenthaltsbewilligung wurde abgelehnt. Im Vorjahr erhielt die Frau die behördliche Aufforderung zur Ausreise. Sie sollte mit Mann und Kindern ausgewiesen werden. Ihre Berufung wurde abgelehnt. Der Bregenzer Rechtsanwalt Ludwig Weh wandte sich an den Verfassungsgerichtshof. Der illegale Aufenthalt allein sei noch kein Ausweisungsgrund, argumentierte er. Zudem sei das Recht auf Familie im Grundrecht verankert. Das Höchstgericht folgte der Argumentation und hob den Ausweisungsbescheid auf. Durch dieses Erkenntnis gerät die Quotenregelung ins Wanken. Denn auch Familienzusammenführung fällt unter die Quote. "Schikane des Kontingentsystems" nennt das Weh. Für ihn ein Verstoß gegen die Europäische Charta der Rechte des Kindes von 1992, die jedem Kind das Recht auf beide Eltern zusichert. Was auch das Recht der Eltern auf Zusammenleben bedeute. Weh: "Das Recht auf Familienzusammenführung ist in allen anderen Mitgliedsstaaten der EU unbestritten." Die Konsequenz des VGH-Erkenntnisses müsse nun sein, so Ludwig Weh, "das Kontingentsystem mit sofortiger Wirkung nicht mehr anzuwenden". Damit würde sich der "ständige Kuhhandel um Quotenplätze erübrigen". Nicht an der Quotenregelung rütteln will Sicherheits-Landesrat Erich Schwärzler (VP). Eine Aufhebung würde "der illegalen Zuwanderung Tür und Tor öffnen". (jub, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 13.7.2001)