Nachdem Petrus den geplanten Auftakt des "ImPulsTanz"-Festivals zunächst vereitelt hatte, lieferten Christine Gaigg und die "Needcompany" im Museumsquartier überzeugende Proben von klassisch-modernem Tanz. Ellen Barkeys Choreographie "Few Things" erläutert Probleme in der Liebesanbahnung.
Wien - Schließlich hat doch noch alles geklappt - doch erst einen Tag später. Die für Mittwoch angesetzte Open-Air-Eröffnung des Festivals
ImPulsTanz 2001
im Haupthof des Museumsquartiers mit Christine Gaiggs Reprise von
Sacre Material
- es war der große Wurf des vorjährigen Sommertanzfestivals - wurde ja wegen Schüttregens kurzerhand auf Donnerstag verlegt.
Unter klarem Nachthimmel, vor Hunderten von Zuschauern, tanzten dann Pernille Bonkan, Karen Levi und Liz Roche nochmals ihr auf Einzelpodesten ausgeführtes Opferritual zu der von Max Nagl bearbeiteten Musik von Igor Strawinsky. Für den geschlossenen Raum konzipiert, ging dann das Licht- und Soundkonzept nicht ganz so auf, wie man es sich gewünscht hätte. Jedenfalls hat die Choreographie und deren Interpretation nach wie vor gepasst.
Zuvor schon hatte in der MQ-Halle G die erste
ImPuls Tanz
-Premiere reüssiert. Mit der Brüsseler Needcompany war ein in Wien seit Jahren vermisstes Ensemble zugegen. Anfang der 90er-Jahre wiederholt Gast der Wiener Festwochen und dann nur noch bei der Salzburger
SommerSzene
zu erleben, sah man Jan Lauwers Truppe nun in Grace Ellen Barkeys
Few Things
(noch am Samstag, 21.00 Uhr) tanzend agieren.
Bekanntlich ein schrulliges Ensemble, Typen die einem in irrwitzige Gedankenwelten verschleppen, diese durch prompte Aktionen und Sprechtiraden aufbrechen und immer wieder in solchen Szenen, welche seelisches Empfinden in strikt choreographierte körperliche Repetitionen einbinden, voll überzeugen.
Ist der Wunsch, der dornige Weg zur Fleischeslust, oder die endliche Erfüllung aller Wünsche das lohnendere Ziel? Um diese Pikanterie zu erläutern, braucht Grace Ellen Barkey eine gute Stunde. Eine klare hundertprozentige Antwort gibt sie nicht. Braucht sie auch nicht. Ihr eigentümliches Stück ist sympathisch angelegt.
Die Basis bildet eine chinesische Parabel: Erzählt wird diese erst im mittleren Stückverlauf; berichtet wird von einem Mandarin, der eine sehr schöne Kurtisane ehelichen möchte. Sie, die Schöne, hält ihn 99 Nächte hin. Er verzichtet auf die 100. Nacht und ward nie mehr gesehen.
In
Few Things
wird die Geschichte anders erzählt, wird sie ins Heute verlegt. Gelb, orange, rot leuchtende Lampions rahmen die Bühne ein. Eine geschmackvoll gestylte, chinesisch anmutende Atmosphäre samt Musik von Velvet Underground über Tricky, Can und zeitgenössisch Klassischem lädt in das Bühnen-Puff ein.
Eine Frau, routiniert in ihrem Job, verkörpert durch zwei starke Tänzerinnen (Muriél Hèrault und Tijen Lawton), lassen Mr. Poodle - eine griffige Rolle für den immer noch hervorragenden Simon Versnel -, den in die Jahre gekommenen Mandarin, oder aktualisiert: den gut situierten Herrn, elendiglich zappeln. Kultivierte Männer kennt diese Dame wohl nicht. Dieser Einsicht verleiht sie auch singend Ausdruck. Denn zur Seite hat sie zwei Raufbolde - die hervorragenden Individual-Style-Tänzer Kosi Hidama und Misha Downey -, gewiefte Zuhälter, die um Geld feilschen.
Beide sind derartig witzig, dass ihr schlaues Gehabe einfach visuell akzeptiert werden muss.
Few Things
spricht auch von weiblichem Selbstverständnis, von sinnlichen Frauen, die wissen, was sie tun, auch wenn sie sich auf der Bühne leidend räkeln. Mr. Poodles Lust ist für manche Pein.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14./15. 7. 2001)