Wien - Wirtschaftsminister Bartenstein will im Herbst einen Gesetzesentwurf mit einer weitgehenden Liberalisierung der Gewerbeordnung vorlegen. Darin soll zwar die "dominante Position" der Meisterprüfung erhalten bleiben, aber die alternativen Zugänge zur Selbstständigkeit einfacher und transparenter gemacht werden, sagt Bartenstein im S TANDARD -Gespräch.

Hauptanliegen der Reform ist die Gleichstellung von Österreichern mit anderen EU-Bürgern, die aufgrund der Freizügigkeit auch ohne Meisterprüfung in Österreich einen Betrieb gründen dürfen, wenn sie eine ausreichende Befähigung nachweisen können. "Es gibt heute schon Tausende Nachsichten in Österreich. Für die soll es hier einen alternativen Befähigungsnachweis geben, der transparenter und klarer ist." Ein solcher Schritt ist seit einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom Vorjahr gegen die Diskriminierung von Inländern zwar unumgänglich geworden, aber stößt in vielen Gewerbeverbänden auf Ablehnung, weil die Meisterprüfung als Zugangsbeschränkung unterwandert wird.

Die Meisterprüfung selbst soll laut Bartenstein ebenfalls reformiert und objektiviert werden: "Die einzige zwingende Voraussetzung wird die Volljährigkeit sein." Außerdem will er die meisten Beschränkungen für die 1998 eingeführten - meisterlosen - Teilgewerbe aufheben. In Zukunft sollen dort mehr als fünf Mitarbeiter beschäftigt und Lehrlinge ausgebildet werden dürfen. "In Anlehnung an das Strafrecht" sollen Unternehmer nach einem Konkurs wieder eine Gewerbeberechtigung erwerben können. Um Selbstständige besser vor dem Scheitern zu schützen, soll für sie eine freiwillige Arbeitslosenversicherung eingeführt werden, in der sie ebenso wie Arbeitnehmer ein Anrecht auf Arbeitslosengeld erwerben können. Zur Vermeidung von Missbrauch wird es eine dreimonatige Wartefrist geben, bevor ein Anspruch auf Arbeitslosengeld entsteht.

Ladenöffnung da capo

Bartenstein ist überzeugt, dass es der Liberalisierung der Gewerbeordnung besser gehen wird als seinem Ladenöffnung-Vorstoß, der nach Absagen der FPÖ, der Sozialpartner und der Bundesländer auf Eis gelegt worden ist. Man sei sich in Expertengesprächen mit der Wirtschaftskammer "schon sehr nahe gekommen". Auch bei der Ladenöffnung sieht er für einen neuen Anlauf gute Chancen. "Ich habe den Eindruck, dass mittlerweile in der Kammer und beim Koalitionspartner ein Kompromiss, zu dem ich bereit gewesen wäre, möglich ist." Bei der Ladenöffnung am Samstagnachmittag "gab es einst auch große Aufregung, und heute ist das eine Selbstverständlichkeit".

Weitere Vorhaben des Wirtschaftsministers für die nächsten Monate sind:
  • Grenzgängerabkommen:
    Beim Fachkräftemangel im Großraum Graz, wo Magna Steyr 1300 neue Arbeitsplätze schaffen will, soll ein Grenzgängerabkommen mit Slowenien, wie es bereits mit Ungarn existiert und mit Tschechien bald in Kraft tritt, Abhilfe schaffen. Dadurch würde auch "der alte Wirtschaftsraum Graz-Maribor wieder zusammenwachsen". Während Tagespendler derzeit nur in den anliegenden Grenzbezirken arbeiten dürfen, will Bartenstein auch Graz und Klagenfurt für slowenische und Linz für tschechische Grenzgänger öffnen "wenn der Arbeitsmarkt es braucht".

  • Zumutbarkeitsregeln:
    Neben der Aufweichung der Zumutsbarkeitsbestimmungen bei Qualifikationen - DER STANDARD berichtete - soll auch die Vermittlung von Arbeitslosen über Landesgrenzen erleichtert werden. "Derzeit wird ein Handelsangestellter aus Wien nicht in die Shopping City Süd vermittelt, und ein Niederösterreicher muss keine Arbeit in einem Magnawerk in der Steiermark annehmen. Das macht keinen Sinn." (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. 7. 2001)