Wien - Bundespolizei- und Sicherheitsdirektionen können bei Krankenkassen Gesundheitsdaten einzelner Patienten abfragen. Konkret erforschen sie - legal nach dem Sicherheitspolizeigesetz - "Alkoholabhängigkeit, Suchtmittelabhängigkeit und psychische Erkrankung". Die Zahl potenziell betroffener Psychotherapiepatienten stieg allein in Wien von rund 7000 im Jahr 1997 auf geschätzte 8900 im Vorjahr, Tendenz: steigend.

Dem STANDARD liegt das Formular für diese Datenerhebung vor. Unter dem Titel "Ersuchen um Auskunftserteilung" wird versichert, der Betroffene habe der "Sicherheitsüberprüfung sowie der Übermittlung des Ergebnisses schriftlich zugestimmt". Aufgrund der Amtshaftung muss die nachforschende Stelle der Krankenkasse diese Zustimmung nicht mitübermitteln.

"Solche Schimmelbriefe ohne Erklärung des Patienten", bestätigt Franz Bittner, Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse, "kommen immer wieder. Ich habe nach Ihrem Hinweis die Dienstanweisung erteilt, künftig bei sensiblen Daten von der Behörde die schriftliche Zustimmung des Betroffenen zu verlangen".

"Stufe b - geheim"

Im vergangenen Jahr ließ der "Personen- und Objektschutz" im Innenministerium 1832 Anträge von öffentlichen Stellen, inklusive internationaler Organisationen, zu. Wie viele davon "Stufe b - geheim" und "streng geheim" (mit Abfrage bei der Krankenkasse) sind, werde nicht erhoben, hieß es. Die gewonnenen Daten erhalte der Auftraggeber zusammengefasst, die Originalantwort bleibe sieben Jahre lang "in einem Stahlschrank des Ministeriums" und werde nicht elektronisch verarbeitet.

"Ich frage mich", sagt Hans Zeger von der Arge Daten, "ob das nicht mit dem weitgehenden Verwendungsverbot sensibler Daten im Datenschutzgesetz in Widerspruch steht. Um das zu klären, müsste man einen Fall bis zum europäischen Gerichtshof bringen." Auch bei den zur Datenweitergabe verpflichteten Versicherungsträgern steigt das Unbehagen. "Als Staatsbürger", sagt etwa Harald Seiss, Leitender Direktor der Salzburger Gebietskrankenkasse, "wird mir angst und bang, wenn da gesundheitsbezogene Daten weitergegeben und österreichweit jede Menge Datenstände aufgebaut werden." Konkret stößt sich Seiss an dem Brief, mit dem jeder Patient über die von ihm verursachten Gesundheitskosten informiert werden soll. Die dadurch ersichtliche Differenz zu den Beiträgen bereite bei relativ Gesunden den Privatversicherungen den Boden auf, argumentiert Seiss. Auch der Grünen-Gesundheitssprecher Kurt Grünewald sieht im "unsensiblen Umgang mit Gesundheitsdaten" die Gefahr, "dass sich Versicherungen ihre Kunden zunehmend Richtung jung, gesund und risikoarm aussuchen".(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.7.2001)