Jerusalem - Die Spirale der Gewalt im Nahen Osten dreht sich weiter. Israel hat am Dienstag mit Kampfhubschraubern Bethlehem im besetzten Westjordanland angegriffen und dabei nach palästinensischen Angaben vier Mitglieder der radikalen Widerstandsorganisation Hamas getötet. Die israelische Armee bezeichnete den Angriff als Präventivschlag. Unter den Toten sei der Führer einer Hamas-Gruppe, die einen Bombenanschlag in Israel geplant habe. In der Nacht zuvor hatte Israel für einen Selbstmordanschlag Vergeltung geübt. "Offenbar hat die Gruppe einen Anschlag während der Abschlusszeremonie der Makkabiade geplant", sagte der Armeesprecher zur Nachrichtenagentur Reuters. Zur Makkabiade, einer Art jüdischen Olympiade, sind seit Montag 2000 Sportler aus aller Welt nach Jerusalem gekommen. Sie dauert bis zum 23. Juli. Vor ihrer Eröffnung hatte die Polizei in der Nähe des Stadiums bereits die Leichname zweier Palästinenser gefunden, die bei der Vorbereitung eines Anschlags ums Leben gekommen seien. Auch in Tel Aviv entschärfte die Polizei am Dienstag einen Sprengsatz, der am Straßenrand in einer Plastiktüte deponiert war. Kampfhubschrauber hätten zivile Ziele beschossen Die Hamas bestätigte, dass die vier Toten ihrer Organisation angehörten. Abdel Aziz el Rantissi, ein hoher Funktionär der Gruppe, sagte, die Armee habe ein Privathaus angegriffen, in dem eine Familie auf die Freilassung eines ihrer Mitglieder aus einem israelischen Gefängnis gewartet habe. Augenzeugen berichteten, das mit Raketen beschossene Haus sei völlig zerstört worden. Ein Vertreter des palästinensischen Gesundheitsministeriums sagte, die Kampfhubschrauber hätten zivile Ziele beschossen. Laut dem Krankenhaus wurde überdies zehn Menschen verletzt, unter ihnen Kinder. Vor etwa zwei Wochen hatte Israel angekündigt, Mitglieder militanter Gruppen als Teil einer Anti-Terror-Strategie weiterhin gezielt zu verfolgen. Die Palästinenser kritisieren die Angriffe als Hinrichtungen. Die südlich von Bethlehem gelegene Stadt Hebron wurde am Dienstag mit Panzern beschossen. Dabei erlitt ein zehnjähriges Mädchen nach palästinensischen Angaben schwere Kopfverletzungen. Ein 41-jähriger Mann aus der Nähe von Nablus wurde nach palästinensischen Angaben von israelischen Siedlern erschlagen. Die Siedler hätten auch ihre Hunde auf den Mann gehetzt, hieß es. "Diplomatie noch ein Chance geben" Bereits in der Nacht hatte die israelische Armee mehrere Städte im Westjordanland unter Beschuss genommen. Dabei gab es keine Opfer. Daraufhin hatte der israelische Infrastrukturminister Avigdor Lieberman von "unvollständiger Vergeltung" gesprochen und gefordert, die Verantwortlichen für den Anschlag "zu liquidieren". Ausdrücklich nannte er den geistlichen Führer der Hamas, Scheich Ahmed Yassin. Sharons Berater Dore Gold sagte, Israel wolle mit der zunächst relativ gemäßigten Reaktion der "Diplomatie noch ein Chance" geben. Palästinenser-Präsident Yasser Arafat verurteilte unterdessen den tödlichen Selbstmordanschlag vom Montagabend. Arafat rief in Gaza Vertreter der Organisationen Hamas, Jihad und anderer Gruppen vor dem Angriff in Bethlehem auf, sich an die am 13. Juni unter US-Vermittlung vereinbarte Waffenruhe zu halten, berichtete der palästinensische Rundfunk. Ein Jihad-Sprecher meinte daraufhin: "Ich glaube, dass es keinen Weg gibt, die Widerstandgruppen unter solchen Umständen zu warnen. Wir haben nichts zu verlieren." (APA/AP)