Wien - Kopfschütteln, Empörung. Dem Sozialrechtler und Regierungsberater Wolfgang Mazal ist das Kunststück gelungen, mit dem im STANDARD geäußerten Vorschlag, dass kinderlose Frauen so spät wie Männer in Pension gehen sollen, nur negative Reaktionen hervorzurufen. Christine Mayrhuber vom Wirtschaftsforschungsinstitut argumentiert im STANDARD-Gespräch wissenschaftlich: "Das gesetzliche Pensionsantrittsalter ist zwar bei Männern fünf Jahre später - de facto gehen Männer nur eineinhalb Jahre später als Frauen in Pension." Gebe es doch Pensionsformen wie Invalidenpension oder geminderte Arbeitsfähigkeit, die vor allem von Männern in Anspruch genommen werden. Mayrhuber, Mitglied einer Untergruppe der Pensionsreformkommission, würde, wenn Mazal schon mit Gerechtigkeit argumentiert, andere Fragen stellen: "Warum gehen Angestellte de facto früher in Pension als Arbeiter?" Abgesehen davon, dass die Kinderfrage nicht nur bei Frauen eine Rolle spielen dürfe: "Was ist mit Männern ohne Kinder oder mit Männern, die sich nicht um ihre Kinder kümmern?" Sozialexperte Bernd Marin argumentiert gesellschaftspolitisch: Mazals Vorschlag sei "unbegreiflich", da er angesichts der gesellschaftlichen Realität (Frauen verdienen ein Drittel weniger) eine "erneute Diskriminierung" von Frauen bedeute. Ideologisch sei Mazals Idee Ausdruck eines "zutiefst reaktionären Frauenbilds", das "unchristliche Feindbild mancher Konservativer gegen Kinderlose" werde in Stellung gebracht. Eine Angleichung des Pensionsalters von Männern und Frauen, das Marin prinzipiell unterstützt, sei erst nach einer "deutlichen Besserstellung von Frauen samt umfassendem Nachteilsausgleich, der weit über die Kinderbetreuung hinausgeht", denkbar. Mehr noch als Kinderbetreuung sei die oft "lebenslängliche zeitaufwendige Pflege der Paschas" - kooperationsunwilliger Partner - abzugelten. Alle Parteien argumentieren politisch und ausnahmsweise unisono: Dass Frauen per Gesetz mit 60 und fünf Jahre früher als Männer in Pension gehen können, ist bis 2018 festgeschrieben. Danach soll das Pensionsalter bis 2031 angenähert werden. Nachdenken sei nicht verboten, aber anschließen will sich Mazals Meinung niemand. Im Gegenteil - ein Mann, ÖVP-Sozialsprecher Gottfried Feurstein, fordert: "Bei so wichtigen Fragen wie dem Pensionsalter müssen mehr Frauen eingebunden werden." (Eva Linsinger Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe 18.7.2001)