Die Argumentation klingt beim ersten Hinhören so herrlich vernünftig, logisch und einsichtig. Alles Eigenschaften und Fähigkeiten, die so manche männliche Mitglieder der heimischen Stammtischwelt den Frauen lautstark absprechen. Wobei etliche Frauen registrieren, dass diese Stimmen in der jüngeren Vergangenheit zahlreicher geworden sind. In diese "neue Herrlichkeit", die sich offenkundig breit macht, passt der Vorstoß des Sozial- und Arbeitsrechtlers Wolfgang Mazal im STANDARD-Interview, wonach kinderlose Frauen so spät wie Männer in Pension gehen sollen. Der Regierungsberater, der schon die Expertenrunde dirigierte, die den berühmten Bericht zur sozialen Treffsicherheit ausgearbeitet hat, ist der Ansicht, dass das frühere Pensionsantrittsalter für Frauen ohne Kinder ein "ungerechtfertigtes Privileg" ist. Verzeihung Herr Experte, das ist eine ziemlich enge Sicht der Dinge, die zwangsläufig zu ebensolchen und daher unbrauchbaren Vorschlägen führt. Die Analyse fällt möglicherweise etwas differenzierte und realitätsnaher aus, wenn man sich ein paar Fragen stellt. Kann man von einem "ungerechtfertigten Privileg" für Frauen sprechen, wenn man weiß, dass das Bruttoeinkommen aller unselbstständig beschäftigten Frauen im Jahr 1999 nach Angaben des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) mit 359,9 Milliarden Schilling weniger als die Hälfte der Bezüge sämtlicher in Beschäftigung stehender Männer betragen hat? In der Statistik sind Frauen mit und ohne Kinder berücksichtigt. Ist es ein "ungerechtfertigtes Privileg" der österreichischen Frauen mit und ohne Kinder, dass zwölf Prozent der rund 1,450.000 unselbstständig beschäftigten Männern mehr als 42.300 Schilling brutto monatlich verdienen, in diese Einkommensbereiche aber nur drei Prozent der 1.130.200 beschäftigten Frauen im jüngsten Berichtsjahr vorgestoßen sind? Ist es ein "ungerechtfertigtes Privileg" für Frauen, ihnen sozusagen im Sinn der reinen Lehre der Bürgergesellschaft fast die gesamte unbezahlte soziale Gesellschaftsarbeit angefangen von der Kindererziehung bis zur Pflege Alter und Kranker aufzubürden? Und ist es schließlich ein "ungerechtfertigtes Privileg" der Frauen, dass sie die Aussicht auf Änderung dieser Zuständen auf absehbare Zeit ad acta legen können? Dies aus dem schlichten Grund, dass die Möglichkeiten Beruf und soziale Betreuungsaufgaben, die sich eben nicht nur auf Kindererziehung beschränken, unter einen Hut zu bringen, minimiert statt maximiert werden? Die richtigen Fragen gestellt hat offenkundig ein anderer Sozialexperte, nämlich Bernd Marin. Dieser befürwortet zwar auch einen Angleichung des gesetzlichen Pensionsalters von Frauen und Männer, vorher müsse es aber zu einem "Nachteilsausgleich" für die Frauen kommen. Dieser hat logischerweise nicht nur mit der Tatsache, dass Frauen Kinder haben zu tun. Denn die Zeit der Kindererziehung ist zeitlich begrenzt. Was Frauen zunehmend belastet, ist vielmehr, dass es zu einem Stopp der Politik des Nachteilsausgleich für die Frauen gekommen ist. Zum neuen Leitbild der Frauenpolitik werde zunehmend "glücklich Mutter" stilisiert, die zufrieden und einträchtig mit ihren Männer bis ans Ende ihrer Tage leben. Am besten noch mit dem Segen von Staat und Kirche. Wo es frauenpolitisch langgeht, zeigt nicht zuletzt der freiheitliche Grazer Vizebürgermeister Peter Weinmeister die Frauen in einer Broschüre darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich nicht so spärlich kleiden sollte, um nicht Opfer von Sexualdelikten zu werden. Frei nach dem Motto, die Frauen sind selber schuld, wenn sich die Männer auf sie stürzen. Frei nach dem Motto, das Opfer ist immer Schuld, zumal wenn es sich um eine Frau handelt. Es ist zu hoffen, dass sowohl Mazals als auch Weinmeisters Anmerkungen zur Frauenpolitik nach dem Sommer schleunigst vergessen werden. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 18. 7. 2001)