Kanada, Japan, Australien und Russland präsentierten vor Beginn der Beratungen auf Ministerebene am Donnerstag ihren Forderungskatalog, der die Anrechnung von Wäldern zur Erreichung der Kioto-Ziele zum Inhalt hat. Dies würde bedeuten, "das Anspruchsniveau zu reduzieren", wie der deutsche Delegationsleiter Christian Sach zugab. Was während der Konferenz als "Senken" diskutiert wird, ist in Wahrheit eine Verwässerung: Damit werden Wälder gegen den Ausstoß von Kohlendioxid verrechnet. Denn Pflanzen entziehen der Luft beim Wachsen das Treibhausgas CO und speichern den enthaltenen Kohlenstoff. Japan, Kanada und Russland gelten nach der Abkehr der USA von den Klimaschutzzielen als Schlüsselländer. Nur mit ihrer Zustimmung kann das Kioto-Protokoll ratifiziert werden, das die Verpflichtung vorsieht, bis 2010 weltweit den Ausstoß der Treibhausgase um 5,2 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. In dem verteilten Entwurf, in dem Kompromissvorschläge zum Protokoll stehen, listeten die vier Staaten Länder auf, die ebenfalls für ihren Vorschlag eintreten: an erster Stelle Österreich. Als Unterstützer werden weiters Finnland, Frankreich, Deutschland und Schweden angeführt. "Wir haben den Eindruck, dass zumindest einige Länder das auch haben wollen", erklärte die kanadische Delegierte und Sprecherin der Gruppe, Norine Smith. Vom STANDARD befragt, welche Signale man aus Österreich habe, die zu dieser Einschätzung führten, antwortete Smith, diese Frage sei an Österreich zu richten. Dass fünf Staaten die EU-Linie verlassen hätten, sorgte bei den anderen Delegationen aus insgesamt 185 Staaten kurzfristig für Aufregung. Der Sprecher von Umweltminister Wilhelm Molterer, Daniel Kapp, versicherte jedoch, dass "Österreich nicht aus der EU-Linie ausschert". Es gebe eine Koordinierung der EU-Staaten, den "Senk"-Vorschlag zu berücksichtigen. Dies sei eine Möglichkeit, Japan ins Boot zu holen. Dass Österreich auf der Liste aufscheine, bezeichnete Kapp als "durchsichtigen Versuch, die EU-Staaten gegeneinander auszuspielen". Besser als Scheitern Der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin hatte bereits klar gemacht, das "Senk"-Modell zu akzeptieren zu wollen. Dies sei besser als ein Scheitern des gesamten Abkommens, meinte er. Allerdings will er diese Möglichkeit zeitlich auf 2012 beschränken. Damit zeichnete sich zum Auftakt der Konferenz auf Ministerebene ab, dass der von den vier Staaten vorgelegte Vorschlag als Kompromiss herauskommen könnte. Wie die kanadische Delegierte erläuterte, sollen ihren Vorstellungen zufolge auch Kontrollposten gegen Waldbrände, Einpflanzungen in bestehende Wälder und naturfreundlicher Holzschlag berücksichtigt werden. Knackpunkt ist, in welchem Ausmaß diese "Senken" berücksichtigt werden. Japan will fast zwei Drittel seiner Kioto-Verpflichtungen mithilfe von Wäldern erfüllen, Kanada 50 Prozent. Russland und Australien wollten sich noch nicht festlegen. Der Leiter der UN-Umweltbehörde, Klaus Töpfer, warnte davor, dass artenreiche Urwälder abgeholzt und die anschließende Aufforstung als Klimaschutz angerechnet werden. "Das muss auf jeden Fall verhindert werden." Kundgebungen mit mehreren Tausend Teilnehmern für und gegen diese Entwicklung der Klimakonferenz verliefen am Donnerstag vorerst friedlich, am späten Nachmittag aber musste die Polizei mehrfach gegen Gewalttätige einschreiten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. 7. 2001)