Geschlechterpolitik
"Frauen zunehmend auf reine Familienwesen reduziert"
SPÖ zieht frauenpolitische Bilanz und präsentiert ihren Weg
Wien - "Frauen werden in ihrer Eigenständigkeit immer mehr
beschnitten und zunehmend auf reine Familienwesen reduziert. Kinderlose
Frauen werden immer stärker diskriminiert, und dabei werden Frauen mit
Kindern gleich mitdiskriminiert", lautet die frauenpolitische
Zwischenbilanz von SPÖ-Bundesfrauenvorsitzender Barbara Prammer, die sie
gemeinsam mit SPÖ-Bundesfrauensekretärin Bettina Stadlbauer im Freitag in
einer Pessekonferenz zog. Im Gegensatz dazu unterstützen die SPÖ-Frauen
die Berufstätigkeit von Frauen - und präsentierten ein 6-Punkte-Programm,
das u.a. eine Qualifizierungsmilliarde beinhaltet.
"Wir gehen davon aus, dass Frauen gerne berufstätig sind, und dazu
brauchen sie die selben Rahmenbedingungen wie Männer", so Stadlbauer. Bis
zur tatsächlichen Gleichstellung seien spezielle Sicherheiten und
Rechtsansprüche notwendig. Um den Wunsch der Frauen nach Berufstätigkeit
zu unterstreichen, zitierte Prammer aus einer Umfrage unter 18- bis
30-jährigen Frauen, wonach 78 Prozent dieser Altersgruppe die
Vereinbarkeit von Beruf und Familie fordern.
Qualifizierungsmilliarde
Erster Punkt des 6-Punkte-Programms der SPÖ-Frauen zur Förderung der
Erwerbstätigkeit von Frauen ist eine Qualifizierungsmilliarde. "Der
Großteil der Frauen braucht keine Sechs-Wochen-Kurse, sondern die Chance
und die Zeit, über die klassische Ausbildungszeit hinausgehend,
Qualifikationen zu erwerben", so Prammer. Zur Frage der Finanzierung: "Das
ist eine Frage der Prioritätensetzung."
Weiters umfasst das 6-Punkte-Programm das Ziel der Einkommensgleichheit,
das u.a. durch die Aufwertung der traditionell von Frauen ausgeübten
Berufe und durch ein kollektivvertraglich geregeltes Mindesteinkommen von
15.000 Schilling erreicht werden soll.
Weitere Punkte sind das Absichern von Arbeitsverhältnissen, die Verkürzung
der Arbeitszeit sowie die berufsgerechte Gestaltung und die Förderung von
Frauen im Betrieb. Letzterer Punkt umfasst u.a. die Forderung nach
Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes für die Privatwirtschaft und
die Koppelung von öffentlichen Auftragsvergaben an die Frauenförderung -
"das muss in allen Ressorts verstärkt forciert werden", so Prammer, die
generell für eine Verschärfung dieser Bestimmung plädiert.
Gegen Rütteln am Pensionsalter
Außerdem fordern die SPÖ-Frauen eine eigenständige Alterssicherung
von Frauen, die auf Basis der Pflichtversicherung stehen soll.
Kindererziehungszeiten müssten demnach wesentlich besser angerechnet
werden, das Partnereinkommen dürfe in die Berechnung der Notstandshilfe
nicht mehr eingerechnet werden, und für den Fall, dass die Frau ohne
Kindererziehung zu Hause bleibe, müsse der Lebenspartner die
Versicherungsbeiträge zahlen. Entschieden wandte sich Prammer gegen
Versuche, am Verfassungsgesetz, das das unterschiedliche Pensionsalter von
Frauen und Männern bis 2019 festschreibt, zu rütteln. "Die SPÖ ist nicht
bereit, an dieser Regelung zu rütteln", so Prammer, "denn die Basis für
eine Änderung, die Gleichstellung im Erwerbsleben, ist noch nicht
erreicht".
"Wir laden die Regierungsparteien ständig ein, über diese wichtigen Punkte
zur Förderung der Berufstätigkeit von Frauen zu diskutieren und wir
bringen laufend Entschließungsanträge ein", berichtete Stadlbauer, "aber
FPÖ und ÖVP wollen nicht einmal darüber reden". Die Regierung sehe Frauen
lediglich als Dazuverdienerinnen, eigenständige Erwerbsarbeit von Frauen werde
als zweitrangig betrachtet. Als Beispiele für diese Regierungspolitik
nannte Stadlbauer die Pensionsreform, das Kinderbetreuungsgeld und das
Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst, das ausgehöhlt worden
sei.
Gegen Zensur von Frauenprojekten
Prammer kritisierte auch, dass die Regierung Frauenprojekte zensuriere. So
würde weder Frauenkultur noch Frauenmedien gefördert. Die ohnehin kleine
Zahl feministischer Zeitungen müsse nun ohne Förderungen auskommen.
Schließlich würden auch Frauen-Servicestellen ihre Förderung verlieren,
wenn sie nicht auch Familienberatung anbieten - "dass es aber zwischen
Frauen- und Familienberatung große Unterschiede gibt, ist bekannt".
Stadlbauer versicherte, dass die SPÖ-Frauen nicht zulassen würden, "dass
Frauen ein schlechtes Gewissen eingeredet wird, wenn sie berufstätig sein
wollen". Unter dem Motto "Zukunft ohne Hürden" werde diese Botschaft im
Rahmen verschiedener Aktionen auch in den Bundesländern thematisiert
werden.
Reaktion
Die SPÖ versuche die Frauen durch "Unwahrheiten zu verunsichern". So reagierte
VP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat am Freitag in einer Aussendung. Bestes Beispiel dafür sei die Behauptung, Frauen würden im öffentlichen Dienst benachteiligt, so Rauch-Kallat. Das Gegenteil sei der Fall, denn Österreich nehme bei der Gleichbehandlung im öffentlichen Dienst EU-weit eine Vorreiterrolle ein.
Der Forderungkatalog der Frauenvorsitzenden der SPÖ, Barbara Prammer, zeige, dass diese "primär mit der Gesetzeskeule und sozialistischer Regulierungswut" Gleichbehandlung erreichen wolle. Sie frage sich, warum die SPÖ die Vorschläge, die sie im Arbeitsmarktbereich gemacht habe, nicht in ihrer Regierungszeit umgesetzt habe.
(red/APA)