Salzburg - Als "Rückblick auf die österreichische Tradition und ihre vielfältigen Wurzeln" möchte Gérard Mortier das letzte von ihm gestaltete Festspielprogramm verstanden wissen. Dazu passt diesmal gut die Reihe "Dichter zu Gast" mit den drei prominentesten ungarischen Gegenwartsautoren: Imre Kertész, Peter Esterházy und Péter Nádás.

In der gestrigen Ausgabe der FAZ schrieb der 1929 in Budapest geborene, 1944 nach Auschwitz deportierte Imre Kertész einen Text über das "kosmopolitische Salzburg". Er, für den es "Heimat" nicht gibt und der in seinem Roman eines Schick- sallosen (1975; dt. 1996) von der Unmöglichkeit eigener Identitätsbildung berichtet, findet Heimat wie Identität in europäischer Kultur, eröffnet im künstlerischen Ereignis, so 1999: "Die Wiener Philharmoniker spielten unter der Leitung von Seiji Ozawa, die Solistin war Jessye Norman, und als erster Programmpunkt wurde Isoldes Liebestod dargeboten . . . Ein japanischer Dirigent und eine schwarze Sängerin lassen des großen deutschen Rassenhüters Werk erklingen - das hier im Zuschauerraum einen ungarischsprachigen jüdischen Schriftsteller des Holocaust zu Tränen rührt."

Imre Kertész, der u. a. Nietzsche, Freud, Wittgenstein und Hofmannsthal ins Ungarische übertrug, verweist zwar auf die politisch motivierten Künstlerabsagen im letzten Jahr, beschreibt aber zugleich seine eigene Hoffnung für diese Festspiele: In der Kunst habe Nietzsche die höchste Aufgabe des Menschen gesehen.

Und: "Wenn Gott tot ist und in der Umklammerung von Politik und Kommerz auch die Kunst in Todesgefahr gerät, ist in der Tat zu fragen, vor welchen Altar der Mensch treten soll, der ohne Altar doch nicht leben kann - zumindest kein menschliches Leben." (rire - DER STANDARD, 21. Juli 2001)