Unternehmen
Krise war bereits im Frühjahr 2000 erkennbar
Ex-Libro-Chef Rettberg könnten beträchtliche Schadenersatzforderungen drohen
Wien - Die Krise der insolventen Medienhandelsgruppe Libro
hat sich bereits im Frühjahr 2000 abgezeichnet. Berichte des Libro-
Rechnungswesens dokumentieren, dass die budgetierten Planzahlen für
das Wirtschaftsjahr 2000/2001 (per Ende Februar 2001) bereits im
ersten Quartal deutlich verfehlt wurden, schreibt das
Nachrichtenmagazin "profil" in seiner am Montag erscheinenden
Ausgabe.
Ex-Vorstandsvorsitzender Andre Rettberg soll die Zahlen zu diesem
Zeitpunkt jedoch nach Aussage eines involvierten Managers als
"Quatsch" abgetan haben. Rettberg habe nahezu zwei Jahre hindurch
alle einschlägigen Warnungen in den Wind geschlagen.
"Nicht mehr Herr der Lage"
Tatsächlich sei Rettberg bereits im Frühjahr 2000 nicht mehr Herr
der Lage gewesen. Bereits im Mai 2000 habe das Libro-Rechnungswesen
für das Gesamtjahr einen Verlust von 500 Mill. S (36,3 Mill. Euro)
prognostiziert. Der Umsatz sei nach den ersten drei Monaten um 15
Prozent unter Plan, die Kosten um 5 Prozent darüber gelegen. Das
Ergebnisziel sei zu diesem Zeitpunkt um 130 Prozent verfehlt worden.
Bis einschließlich Juli 2000 habe die Libro-Gruppe in weiterer Folge
ein negatives Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen
(EBITDA) von minus 400 Mill. S eingefahren. Die Prognosen für das
Gesamtjahr mussten daraufhin auf einen Verlust von mehr als 1 Mrd. S.
Minus korrigiert werden.
Der Öffentlichkeit sei das so nicht kommuniziert worden. Rettberg
habe vielmehr noch bis ins Frühjahr 2001 hinein von märchenhaften
Gewinnen zu erzählen gewusst, so "profil". Rettberg sehe sich nun mit
dem Vorwurf konfrontiert, die Öffentlichkeit nur unzureichend über
die Lage von Libro informiert zu haben. Sollten sich die Vorwürfe
gegen Rettberg erhärten, könnten dem früheren Libro-Chef
beträchtliche Schadenersatzforderungen drohen. (APA)