Wien - Die Kurse könnten sogar auf ihre Tiefstände vom März zurückfallen - 2002 steht kaum Besserung an. Entspannte und optimistische Investoren werden in den kommenden Monaten und auch im kommenden Jahr noch einige kalte Duschen erleben, glaubt Morgan Stanley. Denn ungeachtet der Streitfrage, ob sich die US-Wirtschaft nun in einer Rezession befindet oder nicht - die Gewinnrezession der Unternehmen ist voll im Gange und wird auch nächstes Jahr anhalten. Kein Ende in Sicht Die Märkte sind aber von viel zu viel Hoffnung auf sprudelnde Unternehmensgewinne getragen, warnt das Research-Team von Morgan Stanley in einer aktuellen Marktanalyse. Die Profits werden aber weiter dahinschmelzen, die Indexkurven werden nicht die erwartete Erholung zeigen. Der Schreckensmonat Juni, in dem eine Gewinnwarnung die nächste jagte und die Börsen nach unten schickte, könnte also erst der Anfang gewesen sein. Wer in Bayer, BASF, Infineon, Nokia oder Cap Gemini investiert war, kennt das Gefühl. Wie herb die Verluste noch sein könnten, zeigt die Diskrepanz zur Markterwartung: Laut Finanzagentur Ibes liegt der Konsensus für das Gewinnwachstum in Europa heuer bei einem Prozent und 2002 bei 14 Prozent, in den USA bei minus fünf und plus 20 Prozent. Morgan Stanley sieht für das laufende Jahr ein Minus von fünf Prozent in Europa und ein maximal einstelliges Wachstum 2002 von drei bzw. acht Prozent. Und das könnte noch nach unten revidiert werden, heißt es im aktuellen Chart-Book. Der Grund: Die Märkte unterschätzen die wirtschaftlichen Probleme in den USA (negative Sparquote, Folge der Entlassungen) sowie die Überkapazitäten im Technologiesektor. In Anbetracht dieser fundamentalen Voraussetzungen seien die Aktienkurse zu hoch - und ein Rückfall auf die Tiefstände des vergangenen März sei recht wahrscheinlich. Im EuroStoxx wäre das ein abermaliges Minus von rund 100 Punkten (auf 3870 Punkte), Dow, Nasdaq und S&P würden auch noch kräftig zurückgehen, der DAX würde etwa 500 Punkte verlieren. Zinssenkungen Das, obwohl die Analysten ihren Befürchtungen weitere Zinssenkungen (USA auf 3,5 Prozent, Europa auf 4,25 Prozent) zugrunde legen. Anleger und Fondsinhaber werden also noch längere Zeit im dunklen Tal wandeln müssen. Einzig gangbarer Ausweg aus der Abwärtsbahn der Kurse ist laut Studienautoren Richard Davidson, Teun Draaisma und Ben Funnell, sich auf die langfristige Qualität profitabler Branchen zu konzentrieren. Das waren in den vergangenen zehn Jahren Versorger, die Pharmabranche, Haushaltsgüter und Nahrungsmittel. Als klare Kaufempfehlung gelten GlaxoSmithKline, Aventis, Novartis, Scottish Power und E.ON. Die magerste Gewinnentwicklung in diesem Zeitraum weisen überraschenderweise zyklische Werte und Hardware im Tech-Sektor auf. Klare Verkaufsempfehlung: STMicro, Rio Tinto, Billiton und auch DaimlerChrysler. (red, DER STANDARD, Printausgabe 23.7.2001)