Inland
AHS- Aufnahmeprüfung: Zur Vorgeschichte
Volkspartei plant Entschließungsantrag - Opposition kritisiert "soziale Selektion"
Wien - Die Regierungsparteien wollen die 1982 aus dem Regelschulwesen gestrichene Aufnahmeprüfung für allgemeinbildende höhere
Schulen (AHS) wieder einführen. ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon kündigte am Montag in den Tageszeitungen "Kurier" und "Presse"
für Herbst einen Entschließungsantrag im Parlament an, mit dem ein Aufnahmeverfahren - bestehend aus Prüfung, Beurteilung der
Volksschulleistung und Prognoseverfahren über die Entwicklungschancen des Schülers - eingeführt werden soll. FP-Bildungssprecher Karl
Schweitzer begrüßt das Vorhaben, die Oppositionsparteien lehnen es vehement ab. Hauptschule vor Ruin
Als Begründung für den Vorstoß nennt Amon den unaufhaltsamen Zustrom von Volksschülern in die AHS in den Ballungsgebieten. "Dort ist
man dabei, die Hauptschule zu ruinieren." Das Niveau in der AHS-Unterstufe werde gedrückt, und die Hauptschule verkomme zur
"Restschule". In Wien besucht jeder zweite Schüler eine AHS, wobei es nach Angaben Amons in einzelnen Bezirken Spitzenwerte von mehr
als 80 Prozent gibt, in Krems und Graz je 62 Prozent, in Salzburg 58 Prozent und in Linz 56 Prozent.
Laut Amon ist die Einführung des Aufnahmeverfahrens nicht zwingend "Zwei-Drittel-Materie" im Parlament, das hänge vom Modell ab.
Schon heute könnten Schulen ein Aufnahmeverfahren für Volksschüler mit einem "Befriedigend" im Zeugnis durchführen, wenn in der
Volksschule nicht per Konferenzbeschluss die Berechtigung zum AHS-Besuch erteilt werde. Dies könnte per Verordnung ausgeweitet
werden.
Am Beginn der Diskussion
Das neue Aufnahmeverfahren könnte bereits ab dem Schuljahr 2002/03 gelten. Amon betonte aber, erst am Beginn der Diskussion zu stehen.
Er will auch die Evaluierung eines Schulversuches an einer katholischen Privatschule in Wolkersdorf (NÖ) abwarten, wo ein solches
Aufnahme- und Prognoseverfahren durchgeführt wird. Vor Abschluss dieser Untersuchungen will sich Amon auch noch nicht festlegen, ob
das Aufnahmeverfahren für alle Bundesländer bzw. Regionen gelten soll und für alle Volksschüler, gleich welches Zeugnis sie haben.
Positiv steht man dem Vorstoß Amons im Bildungsministerium sowie bei der Industriellenvereinigung (IV) gegenüber. Wie Sektionschef Heinz
Gruber in Vertretung von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) ankündigte, soll ab kommendem Schuljahr Volksschullehrern ein "nationaler
Orientierungshorizont" zur Verfügung gestellt werden, durch den die Lehrer ihre Notengebung besser einschätzen können. "Die Lehrer sollen
damit erkennen können, was ein Volksschüler am Ende der 4. Klasse können sollte und ob sie in ihrer Beurteilung richtig liegen oder zu hoch
bzw. zu tief benoten", sagte Gruber, der aber nicht alle Schüler durch eine "Testmaschinerie" jagen will. IV-Generalsekretär Lorenz Fritz
betonte, dass der Ausdünnung der Hauptschulen im städtischen Bereich entgegengewirkt werden müsse, die zu einer "Niveausenkung im
AHS-Bereich" geführt habe.
"Soziale Selektion"
Vehemente Kritik an dem Plan üben die Oppositionsparteien. SPÖ-Bildungssprecher Dieter Antoni spricht von "sozialer Selektion", die kein
sinnvoller Beitrag sei, um Jugendliche auf die Anforderungen der Bildungsgesellschaft vorzubereiten und kündigte an, dass die SPÖ "sicher
keinem bildungspolitischen Rückschritt zustimmen wird". Der Bildungssprecher der Grünen, Dieter Brosz, befürchtet, dass "systematisch
Bildungschancen der SchülerInnen zerstört und der Zustrom von bildungsfernen Schichten in die AHS offenbar gebremst werden soll".
SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl meinte, es gehe den Regierungsparteien darum, den Zugang zur Bildung zu erschweren. Der
erste Schritt sei die Einführung von Studiengebühren gewesen, als zweiter Schritt seien nun AHS-Aufnahmetests geplant und "schließlich höre
man von Plänen zur Einführung von Schulgeld". (APA)