Hamburg - Nach der Einigung auf dem Weltklimagipfel in Bonn hofft die Wissenschaft auf eine Wende in der Internationalen Klimaschutzpolitik. "Es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber mit ungeheurer Symbolkraft", sagte am Montag der Klimaexperte Mojib Latif vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg zum Ergebnis des Gipfels. Latif hofft, dass es nach den Beschlüssen von Bonn zu einer "Umkehr zur echten Reduzierung der Treibhausgase" kommt. Im Kyoto-Protokoll hatten sich die Industrienationen 1997 auf eine Verringerung des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) um fünf bis sieben Prozent geeinigt. Latif betonte in diesem Zusammenhang: "Kyoto kann nur Symbolkraft haben". In den nächsten 50 Jahren müsse der Ausstoß der Treibhausgase um die Hälfte reduziert und bis zum Jahr 2100 ganz auf Null gefahren werden. Erforderlich sei eine vollständige Abkehr von fossilen Brennstoffen. "Nur wenn wir dies erreichen, können wir mit einem blauen Auge davon kommen", sagte der Wissenschaftler: "Wir haben es in der Hand, ob sich das Durchschnittsklima um 1,5 oder um 5 Grad erwärmt". Eine Erderwärmung um "nur" eineinhalb Grad sei aber nur zu erreichen, wenn die USA als Verursacher von 25 Prozent der weltweiten Treibhausgase mitmachten. "Ohne die USA ist keine wirksame Klimaschutzpolitik möglich", meinte Latif. Er begrüßte, dass der Bonner Gipfel mit seinem Entgegenkommen an Japan "Washington isoliert" habe. Der Klimaexperte meinte: "Wir dürfen uns auf dem Erreichten nicht ausruhen, wir müssen den Druck auf die isolierten USA aufrechterhalten und erhöhen". "Handlungsdruck auf die USA" Die Einigung ist nach Ansicht des Klimaforschers Hermann Ott ein historischer Durchbruch für die internationale Klimapolitik: "Angesichts der scharfen Absage (des amerikanischen Präsidenten George) Bushs an das Kyoto-Protokoll grenzt das schon an ein Wunder. Die Einigung liefert den Beweis dafür, dass im Zeitalter der Globalisierung Staaten durch koordinierte Verfahren Mehrheiten schaffen können - auch gegen den Unilateralismus der USA", sagte der Leiter der Abteilung Klimapolitik vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Politik. Davon könne auch für andere Politikfelder eine Signalwirkung ausgehen. Der Handlungsdruck auf die USA werde sich dadurch beträchtlich erhöhen. Die EU habe ihre Führungsrolle in der internationalen Klimapolitik weiter ausgebaut und es verstanden, eigene Partner in den Entwicklungsländern für das Protokoll zu gewinnen, sagte Ott. Vor allem die neuen Strafmöglichkeiten gegen Staaten, die ihre Reduktionsvorgaben nicht einhalten, seien ein signifikanter Schritt nach vorne. "Hier sind Empfehlungen zu Sanktionen beschlossen worden, die weiter gehen als alles, was wir bisher gesehen haben", sagte der Forscher. Auch wenn der genaue rechtliche Status der Sanktionen noch geklärt werden müsse, seien sie durchaus erfolgversprechend und differenziert, so Ott. Bei unverschuldeter Nichteinhaltung der Reduktionsziele, etwa durch Waldbrände in Entwicklungsländern, greife ein unterstützender Teil durch finanzielle und technische Hilfen. Bei bewusster Nichteinhaltung komme dagegen ein Sanktionspaket zum Zuge: Ein Verstoß soll im Jahr darauf durch einen Strafzoll des Faktors 1,3 wieder gut gemacht werden. Statt einer Tonne müßten dann 1,3 Tonnen Treibhausgase vermieden werden. "Wenn es in Bonn zu keiner Übereinkunft gekommen wäre, hätte das die internationale Klimapolitik um Jahre zurück geworfen", sagte Ott. Jetzt komme es darauf an, dass die Empfehlungen auch zügig ratifiziert würden, damit der Vertrag bei der Konferenz im September 2002 in Johannesburg in Kraft treten könne." (APA)