Wien - Seit Wochen sorgt mit BT 11 aus gentechnisch veränderten Pflanzen kontaminiertes Mais-Saatgut in Österreich für Aufregung. Die Saatgutindustrie fordert erlaubte "Grenzwerte", innerhalb derer auch verunreinigte Produkte als "sauber" gelten dürfen sollen. "Doch eine solche Maßnahme allein könnte zu zukünftig noch breiteren Verschmutzungen führen. Es sollte Gebiete für die Saatgutzucht geben, in denen es keine gentechnisch veränderten Pflanzen gibt. Sonst bekommen wir das Problem der Verunreinigungen nicht mehr in den Griff", erklärte jetzt der Wiener Experte Univ.-Doz. Dr. Alexander Haslberger. Haslberger beschäftigt sich am Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Wien mit Fragen der Sicherheit und der Kontrollmöglichkeiten des Gentransfers aus gentechnisch veränderten Organismen. Der Fachmann hat diese Probleme auch in einem Kommentar in der neuesten Ausgabe der international angesehenen Zeitschrift " Nature Biotechnology " publiziert. Das Faktum In Saatgut aus den USA und Kanada wurden Verunreinigungen in bis zu 15 Prozent des Saatgutes zum Beispiel allein bei Mais festgestellt. In den USA entstand Ende vergangenen Jahres so erstmals eine intensive öffentliche Diskussion in Sachen Gentech-Lebensmittel, als in ihnen auch Anteile von einem schädlingsresistenten Bt-Mais nachgewiesen wurden, der für den Konsum durch den Menschen nicht zugelassen war und ein potenzielles Allergie-Risiko darstellte. Haslberger: "Das hat die Konsumenten wach gerüttelt. In den USA wurde ein kostspieliges Rückkauf-Programm gestartet." Versehentliche Kontaminationen seien gesundheitlich normalerweise kaum eine Gefahr wenn die GVOs entsprechend internationalen Übereinkommen geprüft wurden. Doch die Verunreinigung insbesondere von Saatgut könnte dazu führen, dass gentechnisch verändertes Material sich verbreitet und dann schwer kontrollierbar wird. Mögliche Ursachen dafür :
  • Pollenflug: Laut einer britischen Studie konnte man eine GVO-Mais-Pollenverbreitung von 0,75 Prozent bei einem Abstand von 500 Metern zum "Urheberfeld" nachweisen.

  • Insekten, Bienen und Vögel können das gentechnisch veränderte Erbgut über noch viel weitere Strecken verbreiten.

  • Besonders wichtig: Durch Auskreuzung in andere Pflanzen kann sich das Gentech-Erbgut ebenfalls weiter verbreiten. Der Wiener Fachmann: "Das ist zum Beispiel für Raps, Rüben, Sonnenblumen, Gräser aber auch für Mais in seinen Ursprungsgebieten bewiesen. Dafür gibt es 'deftige' Hinweise."
Kontrolle des Problems Haslberger geht es um die Kontrolle des Problems. Das habe nichts mit irrationalen Gentechnik-Ängsten zu tun: "Unter bestimmten Voraussetzungen und an bestimmten Standorten können gentechnisch veränderte Pflanzensorten durchaus einen Vorteil bieten. Die Wahrung der Biodiversität und die Nachhaltigkeit sollten Kriterien bei der Zulassung solcher Pflanzen sein." Der Mikrobiologe über die möglichen Konsequenzen solcher Verunreinigungen: "Da ergibt sich eine eindeutige Umweltproblematik. Besonders wichtig kann das in der Zukunft werden. Die bisherigen gentechnisch veränderten Nutzpflanzen haben ja keinen Selektionsvorteil im Vergleich zu herkömmlich gezüchteten Pflanzen. Das wird sich aber mit der Züchtung von Pflanzenarten, die durch gentechnische Veränderung zum Beispiel Trockenheits- oder Salz-resistent gemacht wurden, ändern." Dann wird es Gentech-Pflanzen geben, die potenziell "Rivalen" verdrängen könnten. Der Eingriff in die Umwelt wäre dementsprechend größer und könnte potenziell wesentlich größere Konsequenzen haben. Konsumenten bestimmen? Hinzu kommt, dass viele Konsumenten einfach Gentechnik-freie Produkte haben wollen. Der Wiener Experte Univ.-Doz. Dr. Alexander Haselberger: "Die Verunreinigung von Saatgut mit GVOs kann ein Problem sein, weil viele Menschen, insbesondere viele Konsumenten, weltweit explizit Wege für eine GVO-freie Produktion von Lebens- und Futtermitteln verlangen. Das ist die Voraussetzung für Bioprodukte." Lässt man Toleranzgrenzen für die Verunreinigung von Saatgut mit GVOs zu, könnten sich genetische Eigenschaften der gentechnisch veränderten Pflanzen verbreiten und biologischen Landbau - genauso wie die Produktion von Waren daraus - unmöglich machen. Der Ausweg, den Haslberger propagieren will: "Man könnte das Problem der genetischen Kontamination dadurch verringern, dass man Saatgut in größeren zusammenhängenden Gebieten züchtet und produziert, in denen gentechnisch veränderte Organismen nicht erlaubt sind. Diese Landstriche könnte man gleichzeitig für einen verstärkten ökologischen Landbau und für den Naturschutz nützen." (APA)