Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Archiv
Wien - Die Defizite unseres Wohlstandslebens mit einem Griff ins Supermarktregal kompensieren - für diesen Wunschtraum hat die Nahrungsmittelindustrie Functional Food erfunden. Die neue Generation von Lebensmitteln soll zur Gesundheit beitragen, etwa die Darmflora aufbauen, das Immunsystem stärken oder Cholesterinwerte verbessern. Das Verbrauchermagazin "Konsument" warnt: Funktionelle Lebensmittel seien kein Ersatz für eine ausgewogene Ernährung. Viele Zusätze seien zu wenig erforscht, die versprochenen Wirkungen kaum belegt. Der Gedanke dahinter Unter Functional Food versteht man Lebensmittel, die mit besonderen Inhaltsstoffen angereichert sind. Gesetzlich festgelegte Definitionen gibt es weder in Österreich noch in anderen europäischen Ländern oder den USA. Anders in Japan: Produkte, deren ernährungsphysiologischer Zusatznutzen in einem Zulassungsverfahren nachgewiesen wurde, sind mit einem eigenen Label (Foods for Specified Health Use, kurz FOSHU) versehen. Die ersten Vertreter von Functional Food waren probiotische Joghurts. Heute findet man angeblich gesundheitsfördernde Zusätze in allen möglichen Lebensmitteln, von Getränken über Müslis bis zur Wurst. Die wichtigsten Zusätze: Probiotika sollen Darmflora und Immunsystem günstig beeinflussen. "Ob man deshalb seltener erkrankt, ist unbekannt", urteilt der "Konsument" in seiner August-Ausgabe. Prebiotika können das Wachstum von Bifidobakterien und wahrscheinlich auch jenes von Milchsäurebakterien im Dickdarm fördern. Prebiotische Ballaststoffe sind von Natur aus in Topinambur, Sojabohnen, Zichorie, Porree, Spargel, Zwiebeln u.ä. enthalten. Zugesetzt werden meist Oligofruktose oder Inulin. Draußen und drinnen Allerdings, auf vielen Produkten ist laut "Konsument" die enthaltene Menge nicht angegeben, bei hoher Dosis drohen aber Völlegefühl, Blähungen und Durchfall. Wann Beschwerden auftreten, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Synbiotische Produkte enthalten Pro- und Prebiotika. Ob sich die Wirkung durch Kombination verstärken lässt, sei noch unbekannt. "Vielleicht sinnvoll" (Konsument) seien lösliche Ballaststoffe. Sie können den Cholesterinspiegel senken. Zugesetzt werden vor allem beta-Glucane aus Haferballaststoffen und Pektin aus Obstschalen. Wissenschaftlich fundierte Mengenempfehlungen gibt es bisher aber nicht. Wirkungskontext Den Zusatz von Omega-3-Fettsäuren schätzt der "Konsument" als wenig sinnvoll ein. Diese Gruppe von mehrfach ungesättigten Fettsäuren kann der Organismus nur teilweise selbst bilden, obwohl er sie benötigt. Sie können eine Reihe von Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen senken. Enthalten sind sie vor allem in Seefisch, Nüssen, Leinsamen, Walnuss- Raps- und Sojaöl. Leinöl hat besonders viele davon. Angereicherte Produkte enthalten Fettsäuren aus Seefisch, aber "zu wenig", dafür reichlich Fett. Täglich ein bis zwei Esslöffel der genannten Pflanzenöle sowie zweimal wöchentlich Seefisch decken ebenfalls den Bedarf. Sekundäre Pflanzenstoffe können nachweislich Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen vorbeugen. Heute kennt man rund 30.000 dieser Stoffe. Ungeklärt ist vor allem, ob sie isoliert als Zusatz genauso wirken wie in ihrem natürlichen Umfeld. Kräuterzusätze wie Extrakte aus Guarana, Melisse, Löwenzahn oder Ginseng versprechen Vitalität und Wellness, Belege dafür liegen bisher nicht vor, kritisiert der "Konsument". Meinungen geteilt Unter Ernährungswissenschaftern ist die Meinung zu Functional Food geteilt. Manche sehen eine grundsätzliche Chance für neue, bessere Lebensmittel, andere noch reichlich Forschungsbedarf und Risiken. Zudem geben sich viele Hersteller über Inhaltsstoffe äußerst zugeknöpft. Ob ein angereichertes Produkt im Einzelfall sinnvoll ist, kann im Rahmen einer fachlich fundierten Ernährungsberatung abgeklärt werden. Fest steht: Vieles, was in der Fabrik synthetisch erzeugt wird, kommt in der Natur ohnehin vor. Wer viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukte isst, nimmt eine Vielzahl sekundärer Pflanzenstoffe auf. Da braucht es kein Functional Food. Aber Obst und Gemüse tragen halt kein Etikett, auf dem ein "Zusatznutzen" beworben wird. Billiger sind sie allerdings allemal. Eine gesunde Faustregel: dreimal täglich je eine Handvoll Gemüse, die Hälfte davon roh, zweimal täglich je eine Handvoll Obst. (APA)