Wien - "Das ist die 20-Cent-Münze. Sie ist leicht zu erkennen, weil sie sieben Einkerbungen im Rand hat." Der 21-jährige Jürgen hat vor zwei Stunden das erste Mal Euromünzen und -geldnoten angreifen können, nun erkennt er nach kurzem Betasten sofort, welche Münze er in der Hand hält. Premiere im Wiener Louis-Braille-Haus: Im ersten Eurokurs dreht sich alles ums liebe neue Geld. Eine Gruppe blinder und sehbehinderter Menschen lernt, Euromünzen und -scheine kennen und begreifen. "Wir wollen Panik vermeiden", erklärt Andrea Wahl, Rehabilitationslehrerin und Kursbetreuerin. Trainiert wird nicht nur der Umgang mit Bargeld, es werden vor allem auch Unterschiede zwischen Schilling und Euro ausgearbeitet. "Auf jeden Schein und jede Münze wird gezielt eingegangen. Jeder hat die Möglichkeit, das neue Geld anzugreifen", erklärt Wahl. Duplikate Die Europäische Zentralbank hat dafür Duplikate zur Verfügung gestellt. Ertastbare Sicherheitsmerkmale fehlen zwar noch, aber die Unterschiede zum Original sind nicht so gravierend. Die wichtigsten Erkennungsmerkmale wie Größe, Gewicht, Farbe, Kontrast, Dicke und Rändelung sind vorhanden. "Die Unterschiede zwischen den Münzen spürt man beim Euro sehr deutlich", sagt Kursteilnehmer Jürgen. "Die Ein-Cent-Münze ist sehr klein und hat einen glatten Rand, das Zwei-Cent-Stück hat eine flache, umlaufende Rille, fünf Cent haben auch einen glatten Rand, sind aber größer." Und auch die Scheine unterscheiden sich gut durch Größe, Breite und Farbe. "Da merkt man schon, dass bei der Gestaltung der neuen Währung die europäische Blindenunion zurate gezogen wurde", lobt Wahl die Arbeit der EU-Kommissionen. Angst vor der Währungsumstellung zeigt kein Einziger der blinden oder sehbehinderten Teilnehmer. Das sei reine Übungssache, so der Grundtenor der Gruppe. "Aber Ordnung im Geldbörsel ist wichtig bei uns Blinden", betont eine ältere Dame, "ich hab' für jeden Schein ein eigenes Fach in der Börse - so weiß ich immer, wie viel Geld ich drin hab. Und ich muss mich darauf verlassen, dass mir der Verkäufer nicht einen Zwanziger anstelle eines Fünfzigers zurückgibt." Jürgen geht aus diesem Grund immer in dieselben Geschäfte. "Dort kenn' ich die Verkäufer und vertrau' ihnen. Außerdem kenn' ich die wichtigsten Preise auswendig, das muss ich jetzt beim Euro zwar wieder neu lernen, aber das hab ich sicher bald wieder intus."