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Die jüngste Debatte um eine raschere Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters von Frauen ist wieder einmal sehr österreichisch verlaufen. Ohne Zweifel, der Vorschlag des derzeit wichtigsten Regierungsberaters in Sozialpolitik, das Antrittsalter nur von kinderlosen Frauen an jenes von Männern (65 Jahre) anzupassen, ist indiskutabel. Diese Idee ist unhaltbar - und wäre einzigartig weltweit. Aber die politischen Reflexe, sich jede Diskussion über ein Vorziehen der Anhebung vor 2018-2033 gleichsam zu verbieten, sind auch unbefriedigend. Die beschämenden Benachteiligungen aller Frauen, nicht nur von Müttern, am Arbeitsmarkt und in der Hausarbeit stehen außer Frage, ebenso der endlose "Reformstau". Aber: Erstens ist die Verknüpfung dieser Benachteiligungen mit dem Pensionsalter ziemlich verwegen, und zweitens - noch wichtiger - ist diese Diskriminierung oder ihre Fortsetzung über das Pensionsalter hinaus kein Naturgesetz, sondern politisch beeinflussbar. Scheinlösung Diese Tatsache wird in den politischen Reaktionen aller Parteien ganz ausgeblendet. Doch Frauenpolitik kann sich nicht darin erschöpfen, eine wenig sinnvolle, Frauen nur scheinbar zugute kommende Regelung beizubehalten. So, als ob man sich jede wirksame frauenpolitische Maßnahmen ersparen will bzw. ersparen kann, wenn man nur an diesem Kuriosum festhält. Ab dem Jahr 2018 wird dann aber die Angleichung des Pensionsalters in jedem Fall erfolgen - auch wenn sich an den Benachteiligungen nichts oder nur wenig geändert haben sollte. Es stellt sich daher die Frage, warum es so wünschenswert sein soll, dass Frauen im mittleren Alter von 56,5 Jahren das Recht haben, mit Minipensionen unter der Armutsgrenze aus dem Arbeitsmarkt auszuscheiden. Jede zweite ASVG-Eigenpension von Frauen liegt unter etwa 8000 Schilling. Trotz Anrechnung von Kindererziehungszeiten gibt es kaum ein europäisches Land, in dem die durchschnittliche Frauenpension so viel niedriger ist als die der Männer - im Schnitt um die Hälfte! Hinzu kommt, dass aus dem Recht oftmals ein Zwang bzw. Stigma wird und Frauen am Arbeitsmarkt generell schon fünf Jahre früher als "zu alt" abqualifiziert werden. Während sie durch längere Lebenserwartung objektiv "jünger" sind als gleichaltrige Männer, gelten sie in manchen Branchen ab Mitte dreißig als "altersbedingt unvermittelbar". Der vermeintliche Vorteil kehrt sich also schon jetzt für viele Frauen ins schmerzliche Gegenteil: kränkende Altersdiskriminierung in den "besten Jahren". Wäre es nicht besser, wenn Frauen spätere, dafür aber reformbedingt viel höhere Pensionen hätten? Auch dass Frauen im Schnitt tatsächlich nicht fünf, sondern nicht einmal zwei Jahre früher in Pension gehen als Männer ist keine Rechtfertigung unterschiedlicher Altersgrenzen. Entweder sind Männer zwischen 50 und 60 so krank, dass sie mehrheitlich nicht einmal bis zum vorgesehenen Frühpensionsalter im Erwerb bleiben können (unwahrscheinlich, weil nirgendwo in Europa der Fall), oder auch die Invaliditätspensionsregelungen sind dringend reformbedürftig. Nachteil für Jüngere Eine Beibehaltung des niedrigeren Regelpensionsalters für Frauen bis 2018 ist vielfach problematisch. "Profitieren" können von dieser Regelung heute lediglich Frauen, die 38 bis 56 Jahre alt sind, bald schon nur noch eine immer kleiner werdende Minderheit der Frauen in der zweiten Berufs- und Lebenshälfte. Für Frauen unter 33 würde bereits das heutige Männerpensionsalter gelten. Über das Umlageverfahren sichern vor allem die jüngeren Generationen (von Männern und Frauen) die Finanzierung - unabhängig von Bedarf, Inanspruchnahme und Leistungsfähigkeit. Finanziert wird diese vordergründig frauenpolitische Errungenschaft (abgesehen vom nicht zuordenbaren Bundeszuschuss) nicht von allen Steuerpflichtigen nach Steuerkraft, sondern von Beitragszahlern, also nur bedingt nach Einkommensstärke: Einkommen über der Höchstbeitragsgrundlage sowie Einkommen aus dem öffentlichen Dienst bleiben unberücksichtigt. Und (insbesondere berufstätige, jüngere) Frauen zahlen selbst mit, auch wenn sie selbst nichts oder wenig davon haben. Schlusslicht in der EU Schließlich wäre Österreich gemeinsam mit Griechenland dass letzte EU-Land, das die vorgeschriebene Gleichstellung der Altersgrenzen umsetzt - in zwei Drittel der EU-Länder gelten schon heute gleiche Grenzen, in den übrigen Ländern erfolgt die Anpassung demnächst. Es ist verständlich und berechtigt, dass FrauenpolitikerInnen den Trumpf des gesetzlich früheren Pensionsantrittsalters nicht ersatzlos aufgeben wollen, ja können. Nach dem Jahr 2018 ist dieses Pfand jedoch ohnedies unwiederbringlich verloren. Und bis dahin verliert es jährlich Milliarden an politischem Tauschwert: Erklären Sie das der Mehrheit Ihrer Wählerinnen! Von einer ersatzlosen Aufgabe soll daher gar keine Rede sein. Dieser Trumpf kann jetzt, und nur jetzt - je später, desto weniger! - gewinnbringend eingesetzt werden - mit dem Aufbau einer angemessenen eigenständigen Alterssicherung für alle Frauen. Dafür bietet sich eine Palette aufwandsneutraler Möglichkeiten an: viel bessere Bewertung der Kindererziehungszeiten, Pensionssplitting zwischen Partnern, die Einführung einer Pflichtversicherung oder einer Basispension für alle und vor allem die Kombination dieser Systemkomponenten. Der Handlungsspielraum hängt ausschließlich davon ab, welche sonstigen Regeln, etwa bei den Hinterbliebenenpensionen, frau/man zu reformieren bereit ist. Christopher Prinz, Bernd Marin ( Prinz ist in der Social Policy Division der OECD in Paris tätig; Marin am Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung in Wien. ) (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 31.7. 2001)