Sport
Shorts, Socken und Steroide
Je mehr Menschen zusammenkommen, desto mehr Regeln brauchen sie
Ob Alexander Krikuns Drohung eine leere oder eine volle
ist, wird der Samstag weisen.
Der starke Mann aus der
Ukraine hat angekündigt, seinen Hammer, wie die Eisenkugel am Drahtseil heißt,
bloßfüßig zu werfen, um derart gegen die seiner Meinung
nach mangelnde Unterstützung durch seinen Landesverband zu protestieren. Gut,
dass Krikun Hammerwerfer
und kein Fotograf ist, wäre er
Zweiterer, wäre er nämlich
ein Regelbrecher. Wer im
weltmeisterlichen Stadion
knipst, hat einen "simple
dress code" zu befolgen.
Verboten sind: Laufhosen,
Turnhosen, ärmellose Leiberln. Dieser Tage ist es ziemlich heiß in Edmonton, Fotografen haben viel zu schleppen. Erlaubt sind ihnen ordentliche Shorts. Wer die allerdings anhat, ist angehalten,
nicht nur Schuhe, sondern
auch Socken zu tragen, Kniestrümpfe, wie sie Prinz Charles gerne anzieht, sind nicht
unbedingt notwendig.
Fündiger Zoll
Wenn so viele Menschen
auf einen Haufen zusammenkommen wie bei einer Leichtathletik-WM, sind eben Regeln vonnöten. Die Sportler
haben ja auch welche zu befolgen, sie dürfen, beispielsweise, keine Anabolika schlucken. Der kanadische Zoll hat
zwei Tage vor dem Beginn der
WM am Flughafen in Calgary
Steroide im Wert von 50.000
Dollar beschlagnahmt.
Hier in Edmonton wird
erstmals bei einer WM den
Athleten nicht nur Urin, sondern auch Blut abgezapft, um
zu schauen, ob EPO drin ist,
ein Mittel, das die Dauer_läu_fer_Innen stärkt. Sämtliche
Medaillengewinner müssen
liefern, dazu kommen pro Bewerb zwei Geloste. Kürzlich
hat die russische 1500-m-Läuferin Olga Jegorowa Positives
abgeliefert, und sie ist wie die
meisten, denen dieses Ungemach widerfährt, von ihrer
Unschuld überzeugt und will
in Edmonton laufen. Istvan
Gyulai, der Generalsekretär
des Internationalen Leichtathletikverbandes (IAAF),
stellte klar, dass sie nicht laufen wird, wenn auch die B-Probe positiv ist. Deren Analyse zieht sich freilich, sie
muss wegen eines technischen Fehlers wiederholt
werden, wie Istvan Gyulai, erklärte. Und ausgeschlossen
kann sie nur bei positiver B-Probe werden. Die Zeit drängt,
und die Rumänin Gabriela
Szabo verkündete, dass sie ihren 5000-m-Titel nicht verteidigen wird, sollte Jegorowa an
der WM teilnehmen. "Oder
wir nehmen beide EPO und
laufen gegeneinander."
Lukrative Medaillen
Der Internationale Verband
hat am 1. August, bei der ersten Session seines vor jeder
WM gepflegten Kongresses,
den Namen, der hinter dem
Kürzel steckt, geändert. Bedeutete IAAF früher International Amateur Athletics Federation, so steckt fortan International Association of
Athletics Federations dahinter. Was früher einmal
schlecht war, ist also (nicht
erst seit) heute gut, die Sportler, so sie was reißen, verdienen auch offiziell nicht
schlecht. Für Gold in Edmonton gibt’s von der IAAF
60.000, für Silber 30.000, für
Bronze 20.000, die oder der
Achte lukriert noch 4000
Dollar. Ein Weltrekord ist
100.000 Dollar wert.
Dafür wurden Verschärfungen ins Regelbuch geschrieben. Bei Läufen bis 400 m ist
ab 2003 nur noch ein Fehlstart
erlaubt. Wer den zweiten
macht, wird disqualifiziert,
ohne Rücksicht darauf, ob er
auch am ersten beteiligt war.
Im Moment kann sich jeder
zwei Fehlstarts leisten.
(Benno Zelsacher, DER STANDARD, Printausgabe 3.8.2001)