Bala Cynwyd - Nach dem Ende des Börsenbooms bekommen Analysten in den USA zunehmend den Unmut der Anleger zu spüren: Bei einem Bundesgericht wurden am Mittwoch (Ortszeit) zwei Sammelklagen gegen die US-Bank Morgan Stanley und deren Internet-Star-Analystin Mary Meeker eingereicht. Grund seien unbegründete Kauf-Empfehlungen Meekers für den Online-Buchhändler Amazon und das Internet-Auktionshaus EBay, erklärte die Anwaltsfirma Schiffrin and Barroway aus Bala Cynwyd (US-Bundesstaat Pennsylvania). Die Empfehlungen der Analystin seien nur durch ihren Wunsch geleitet gewesen, "Bankkunden für Morgan Stanley zu gewinnen und zu halten", heißt es in ihrer Klageschrift. Meeker habe sich zudem durch die Empfehlungen selbst finanziell bereichert, weil ihr Gehalt stark erfolgsabhängig sei. Meeker verdiente den Angaben zufolge 1999 rund 15 Mill. Dollar (17,0 Mill. Euro/234 Mill. S). "Fehlende Unabhängigkeit" Nach dramatischen Kursstürzen an der Börse machen immer mehr Anleger Analysten für ihre Verluste verantwortlich und werfen ihnen fehlende Unabhängigkeit vor. Am Dienstag war die Frage möglicher Interessenkonflikte auch Thema vor dem US-Kongress. Dort sagte die Leiterin der US-Börsenaufsicht SEC, Laura Unger, Interessenskollisionen seien bei Analysten keine Seltenheit. Ihren Angaben zufolge untersucht die SEC mindestens drei Fälle, bei denen Analysten teilweise Millionenprofite gemacht hätten, weil sie eigene Aktien verkauften, nachdem sie die Wertpapiere selbst öffentlich zum Kauf empfohlen hatten. Morgan Stanley ist nicht die erste Großbank, die ins Schussfeld sich getäuscht fühlender Anleger gerät. Der Konkurrent Merryl Lynch hatte im vergangenen Monat freiwillig 400.000 Dollar an einen Privatanleger gezahlt, der sich durch Empfehlungen eines hauseigenen Analysten hinters Licht geführt sah. Der Fall war damals nicht vor Gericht gewesen und wurde vor einer Schiedskommission verhandelt. Merryl Lynch lehnte dabei ein Schuldeingeständnis ab, zahlte aber trotzdem. "Chinesische Mauern" Unger kritisierte zudem, dass bei einigen Firmen die Investmentabteilungen, die selber Aktien kaufen und verkaufen und so von Empfehlungen profitieren könnten, über die Bezahlung der Analysten mitbestimmen. Dies würde strikte Trennung zwischen Investment- und Marktbeobachtungsbereich unterlaufen. Die Banken weisen solche Vorwürfe regelmäßig zurück und betonten, zwischen beiden Sparten seien firmenintern "chinesische Mauern" eingezogen, so dass es weder zu einer Beeinflussen noch zu einem Austausch von Informationen kommen könne. In der Kongress-Anhörung berichteten auch Analysten über das teilweise illegale Gebaren der Branche. "1997 bot mir eine große Investmentbank an, mein Gehalt zu verdreifachen", sagte Robert Glantz, ehemals Analyst bei Paine Webber. "Sie hatten überhaupt kein Interesse an der Qualität meiner Empfehlungen. Mir wurde eine Liste mit 15 Namen gezeigt und ich wurde gefragt: Wie schnell können sie Kauf-Empfehlungen für diese potenziellen Kunden abgeben?" (APA/AFP)