Mashhad/Wien – "Ich habe die Frauen für Gott getötet und um meine Religion zu schützen, denn sie waren Huren und haben andere Leute verdorben", sagte Said Hanaei nach seiner Festnahme als "Spinnenmörder" in der iranischen Stadt Mashhad. 16 Morde gab er zu, drei werden Nachahmungstätern zugeschrieben – und seit seiner Verhaftung vorige Woche gibt es bereits wieder zwei Tote.

21 Opfer sind es insgesamt, meist junge Prostituierte im Drogenmilieu, immer auf dieselbe Weise mit einem Tuch erdrosselt und danach in ihren Tschador, oben und unten zugeknöpft, verpackt. Und die Erwartung, dass mit der Verhaftung des 39-jährigen Maurers und Familienvaters die Mordserie zu Ende sein würde, hat sich nun nicht erfüllt.

Die Spinnenmorde – so genannt, weil der Täter das Opfer in die Falle lockt und erstickt – sind längst mehr als ein Kriminalfall. Mashhad beherbergt mit dem Grab des achten Imam, Al al-Rida (gest. 818), die wichtigste schiitische Stätte im Iran (die heiligsten, Kerbela und Nadjaf, liegen im Irak), mit einem lebhaften Wallfahrtstourismus und – im Iran natürlich verbotener und trotzdem blühender – Prostitution. Zudem liegt Mashhad nur zwei Stunden von der afghanischen Grenze entfernt, ist von Flüchtlingen und Drogen überschwemmt, gleichzeitig ist es eine Hochburg des konservativen Klerus und der Opposition gegen den Liberalisierungskurs von Präsident Mohammed Khatami.

In diesem Ambiente feiern gewisse Kreise den geständigen Hanaei wie einen Helden, nicht er sollte prozessiert werden, sondern die für die Unmoral Verantwortlichen, schrieb eine konservative Zeitung. Er habe zum Mord als eine Art Selbstverteidigung gegriffen, heißt es, nachdem ein Autofahrer seine Frau angesprochen habe, weil er sie für eine Prostituierte gehalten hatte. Er hätte 150 getötet, wenn er nicht verhaftet worden wäre, sagte Hanaei stolz. Es gibt bereits Aktionen von braven Bürgern, die sich für seine Freilassung einsetzen.

Liberale vermuten in den Tätern eine organisierte Bande von Zeloten, die die heilige Stadt reinigen wollen und/ oder eine Verschwörung gegen Khatami planen, dem die "Auswüchse der Liberalisierung" angelastet werden. Da alle Opfer vorbestraft waren, wird spekuliert, dass der Geheimdienst verwickelt sein könnte, weil die Täter Zugang zu Polizeiakten haben müssen. Der Geheimdienst war ja auch hinter der Mordserie an kritischen Intellektuellen vor zwei Jahren gestanden. Da es sich jedoch "nur" um Prostituierte handelt, ist der Ruf nach Aufklärung diesmal jedoch eher leise. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3. 8. 2001)