Rom - Die italienische Regierung hat auf die Vorfälle von Genua mit der Amtsenthebung von drei Spitzenvertretern der Polizei reagiert. Der Vizechef der Polizei, Ansoino Andreassi, der Leiter der Anti-Terror-Einheit, Arnaldo La Barbera, und der Polizeipräsident von Genua, Francesco Colucci, sollen "neue Aufgabenbereiche zugewiesen bekommen", so Innenminister Claudio Scajola. Mit La Barbera und Andreassi verliert Polizeichef De Gennaro zwei seiner engsten Mitarbeiter. Andreassi gilt als profunder Kenner der italienischen Terrorszene, La Barbera hat sich bei der Bekämpfung der Mafia große Verdienste erworben. "Wenn es dem Staat dient, akzeptiere ich eine Versetzung", erklärte La Barbera lakonisch. Colucci, der sich als "Sündenbock" bezeichnete, sagte: "Ich bin gespannt, was man mir in Rom zu erzählen hat." Scajola stellte sich erneut hinter die Polizei und erklärte, die Maßnahmen seien notwendig gewesen, um "die gerichtlichen Ermittlungen zu erleichtern". Der Sprecher von Alleanza Nazionale, Ignazio La Russa, unterstrich, dass es sich "um keine Strafmaßnahme" handle. Carabinieri ungestraft Die Entscheidung des Innenministers hat in der Polizei Unbehagen und Proteste ausgelöst. Dass die Carabinieri, auf deren Kosten der Tod des Demonstranten Carlo Giuliani geht, ebenso ungeschoren davonkamen wie die an den Ausschreitungen beteiligte Finanzwache, verstärkte die seit Tagen schwelende Missstimmung. Die Polizeigewerkschaft kritisierte die Maßnahmen. In Genua setzten die Staatsanwälte die Ermittlungen mit einem Lokalaugenschein in der Kaserne von Bolzaneto fort, wo zahlreiche Verhaftete misshandelt wurden. Unterdessen beschäftigen sich die italienischen Zeitungen erstmals ausführlich mit den 16 verhafteten Österreichern. La Repubblica und Corriere della Sera gehen auf die österreichischen Proteste ein und berichten über den Vorwurf der sexuellen Belästigung der verhafteten Frauen. Kein europäisches Regierungsmitglied habe "so heftig reagiert wie Außenministerin Ferrero-Waldner", schreibt La Repubblica. Die Kritik der Öffentlichkeit gelte nicht nur Italien, sondern auch der eigenen Regierung, die zu spät reagiert habe, berichtet der Corriere della Sera. Prügel für Behinderten La Repubblica berichtet weiters über den Fall eines Unternehmers syrischer Abstammung, Mohamed T., der trotz einer schweren Behinderung bei der Festnahme nach dem G-8-Gipfel schwer misshandelt worden sei. Der Mann, dem ein Bein fehlt, sei gezwungen worden, stundenlang in der Polizeistation von Genua Bolzaneto zu stehen, ohne sich setzen zu können. "Als ich in den frühen Morgenstunden vor Müdigkeit zusammengebrochen bin, ist ein Polizist gekommen. Er sagte mir, er wollte mir zeigen, wie man auf den Beinen steht. Er hat mir die Kleider zerrissen und mich verprügelt. Alle Personen, die mit mir festgenommen worden sind, wurden regelmäßig geschlagen. Ein Polizist kam in die Zelle mit einem Knüppel, wählte einen von uns aus und schlug ihn wild." (mum/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4./5. August 2001)