Die ersten Reaktionen aus dem Außenamt waren gewagt gelassen. Bereits Freitag voriger Woche (27. 7.) berichtete mir eine betroffene Mutter völlig verzweifelt, dass es ihr seit Tagen nicht gelänge, in Erfahrung zu bringen, wann genau, wo und warum ihre Tochter verhaftet worden war, geschweige denn eine persönliche Kontaktaufnahme oder wenigstens eine Auskunft, mit welcher Begründung sie weiter in Untersuchungshaft gehalten werde.Da diese Mutter völlig zu Recht befürchtete, dass über das Wochenende schon gar nichts geschehen wird, habe ich versucht, den Pressesprecher der Außenministerin am Handy zu erwischen. Doch das war von Freitagabend bis Sonntag ausgeschaltet! (In manchen Jobs gibt es offenbar wirklich noch das lange freie Wochenende, echt cool.) Andererseits verstehe ich jetzt ein wenig besser, wie die rätselhaften neuen ÖVP-Plakate "familienfest" gemeint sind. Die schultergeschlossenen Rot-weiß-Roten gehören zur Familie der echten ÖsterreicherInnen. Bei den anderen wird zuerst das Weiß der Unschuldsvermutung herausgestrichen, und dann wird ihnen blitzschnell und ganz leicht das Mascherl "Rot und nichts als gewalttätig rot" umgehängt. Erledigt. Alles getan. Soll doch eine Mutter Angst haben um ihre Tochter und nicht wissen, was wahr dran ist an den Vorwürfen über Misshandlungen, sexuelle Belästigung, ausgeschlagene Zähne. Hätte sie sich eben früher darum gekümmert, dass ihre Tochter keine "Donnerstagsdemonstrantin" wird. Dann wär' sie auch der Polizei nicht bekannt gewesen, und die Italiener hätten sie gar nicht erst wiedererkennen können . . . Überhaupt, wenn sie wie ein braves Mädchen zu Hause geblieben wäre und sich ein langes ruhiges Wochenende genommen hätte, dann müsste sich die Frau Außenministerin jetzt nicht so lästige Fragen gefallen lassen, was sie eigentlich wirklich für die Freilassung dieser österreichischen schwarzen Schafe getan hat. Und Bundeskanzler Schüssel müsste sich nicht schon wieder den Vorwurf anhören, dass er im gelassenen Wegschauen wirklich schon sehr geübt ist. Oder ist es doch eher die unschuldige Lust am Zuschauen, wenn andere einem die Arbeit abnehmen und Unliebsame zum Schweigen bringen oder noch besser wegsperren? Das ist die inzwischen bekannte Masche. Bist du für diese Regierung oder gegen sie? Die jeweilige Antwort entscheidet darüber, ob du es wert bist, zu den "echten ÖsterreicherInnen" zu gehören. Brave Untertanen in Dirndl und Lederhose, nicht mit orangenen Sturzhelmen und wochenlang als Straßentheater unterwegs. So macht man sich oben im Inland wie in Italien als Österreich-Vernaderer verdächtig. Ja, und solche brauchen sich oben wirklich über nichts mehr wundern. Es ist doch nur einmal eine "verfolgenswerte Idee" aus Österreich in Italien ausprobiert worden. Ein schönes, vertrauensvolles "Familienfest" unter Geistesverwandten. Gertraud Knoll (Die Autorin ist Superintendentin der Evangelischen Kirche im Burgenland.) (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 4./5.8. 2001)