Wien - Die EU-Erweiterung droht zum Sprengsatz für die Regierungskoalition zu werden. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider (F) hält an der Forderung nach einer Volksabstimmung über die Osterweiterung der Europäischen Union fest. Davon hänge auch die Zukunft Wolfgang Schüssels (V) als Bundeskanzler ab, so Haider gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Format". Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (V) rechnet nicht mit einer Volksabstimmung oder Volksbefragung; auch Haider stehe schließlich zum Regierungsprogramm, betonte sie am Samstag in einem ORF-Radiointerview. Zur Fragestellung bei einer Volksabstimmung sagte Haider laut "Format"-Vorausmeldung: "Die Frage kann ja nicht lauten: 'Sind Sie dafür, dass die Ungarn oder Slowenen zu uns kommen?', sondern 'Sind Sie dafür, dass durch die Osterweiterung die Nettozahlung der Österreicher erhöht wird?' Darüber haben wir ein Recht zu entscheiden." Der Altobmann der Freiheitlichen spricht von einem "Paket an Fragen", zu dem auch das tschechische AKW Temelin und die Benes-Dekrete gehören könnten. Das ist der Punkt "Bis 2003 brauche ich ihn (Schüssel, Anm.) gar nicht überzeugen. Nach dem Jahr 2003 wird er überzeugbar sein, wenn er wieder Bundeskanzler werden will. Das ist der Punkt", betonte Haider, der in einem Beitrag für die Wochenendausgabe der Tageszeitung "Die Presse" hervorhob, dass es bei der Durchsetzung "legitimer österreichischer Anliegen" keinen Kompromiss geben könne. "Was mir abgeht, ist einfach der Mut österreichischer Vertreter, auf EU-Ebene die Sache des eigenen Landes entschlossen zu vertreten." "Was hat die Musterschülerrolle, die SPÖ und ÖVP uns einreden wollen, bisher dem Land gebracht: Sanktionen, internationale Diffamierung und Bruch des EU-Vertrages", heißt es in dem Kommentar des Kärntner Landeshauptmanns in der "Presse". Genua ausgenommen Ferrero-Waldner erklärte im ORF-Interview, sie freue sich, dass sie sich seit Jahresbeginn fast ausschließlich der EU-Erweiterung widmen könne. "Österreich wird am meisten von der Erweiterung profitieren", erklärte die Außenministerin. Man werde endlich die Möglichkeit haben, geopolitisch wieder "in die Mitte" zu rücken. Auch Haider stehe zum Regierungsprogramm; sicherlich könne man am Ende des Verhandlungsprozesses gemeinsam der Erweiterung zustimmen, nicht zuletzt auf der Basis der "Österreich-Plattform", die auch von Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (F) mitgetragen werde. Übertönungsversuch Der Europasprecher der Grünen, Johannes Voggenhuber, warf Haider vor, durch das Aufwühlen nationalistischer Stimmungen das "desaströse Versagen der FPÖ-Regierungsriege übertönen" zu wollen. "Die Vorschläge des Kärntner Landeshauptmanns sind eine Mischung aus Inkompetenz und Infamie. Die zentralen Interessen des Landes werden zusehends zum bloßen Spielmaterial in den Händen eines machtbesoffenen Provinzpolitikers. Erpressung, Ressentiments und Verhetzung werden damit immer mehr zum politischen Intrumentarium dieser Regierung", erklärte Voggenhuber in einer Aussendung. "Das Schweigen Schüssels zu einem derartig gemeingefährlichen Vorschlag läßt nichts Gutes ahnen." Bei einem Zerbrechen der Regierung an der Frage der EU-Erweiterung könnte Schüssel für die Zeit des Wahlkampfes "in das ihm von Haider zurecht gelegte Kostüm des Europäers schlüpfen, um nach der Wahl endgültig in das nationalistische Korsett Haiders eingeschnürt zu werden", so Voggenhuber. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures erklärte am Sonntag, die Koalition liefere "ein erbärmliches Bild der Handlungsunfähigkeit." "Die Frage der EU-Erweiterung ist von grundlegender Bedeutung für die Zukunft Österreichs und für das gesamte Projekt Europa, und der Regierung fällt nichts anderes ein, als einen kleinkarierten, parteipolitisch motivierten Streit vom Zaun zu brechen". (APA)