Wien/Frankfurt - Nach monatelangem Zaudern greift nun die Deutsche Börse durch: Bereits am Donnerstag hat sie die Firma TelDaFax aus dem Wachstumssegment Neuer Markt ausgeschlossen. Der Grund: Das Unternehmen hat auch nach mehrmaliger Ermahnung noch immer nicht die Jahresabschlüsse für das Jahr 2000 vorgelegt. Ein guter Ausschlussgrund angesichts der Börsenregeln im Zeichen einer neuen Transparenz. Daneben hat die Börse Ende Juli auch beschlossen, insolventen Unternehmen und solchen, die längere Zeit unter einem Euro notieren, die rote Karte zu zeigen. Was dem Börsenplatz das zuletzt geschwundene Vertrauen der Anleger wiederbringen soll. Die Idee ist gut, zu sehr haben sich gerade kleinere Firmen immer wieder an grundlegenden Kriterien der Offenheit - siehe TelDaFax - zulasten der Anleger vorbeigeschummelt. Zu rigoros Dennoch scheint die neu entdeckte deutsche Börsengründlichkeit zu rigoros zu sein. Den Scheuklappen werden die Tore geöffnet. Beispiel Porsche: Der Stuttgarter Autobauer wird morgen, Dienstag, so gut wie sicher aus dem MDax, der zweiten deutschen Börsenliga, rausgeschmissen. Und hier ein ähnlicher Grund wie bei der Firma TelDaFax, der sich allerdings durch die Bedeutung um einiges anders lesen lässt: Seit Wochen streiten Börse und Porsche, weil der Autobauer keine Quartalszahlen veröffentlicht. Die Begründung des Firmenchefs Wendelin Wiedeking: Der Geschäftsverlauf sei saisonal stark unterschiedlich, die Berichterstattung über andere wichtige Kennzahlen wie Absatz und Unternehmensdaten ohnehin sehr transparent. Quartalsberichte würden also nur die Kurse schwankungsanfälliger machen. Deshalb sei es der Firma auch egal, wenn sie aus dem MDax rausfällt. Sie wird ohnehin in den großen länderübergreifenden Kursbarometer Morgan Stanley Capital International (MSCI) aufgenommen. Die Börse will gerade jetzt keine Ausnahmen machen, den Aktionären aber dürfte dieses Vorgehen wenig bringen. Schon andere Aktien wie Bijou Brigitte haben nach dem Rausfall aus dem noch kleineren Smax-Index gezeigt: Der Aktie hat das nicht geschadet. Denn Ad-hoc-Mitteilungen müssen die weiter notierten Unternehmen ohnehin veröffentlichen. Und die Anleger sehen trotzdem, wie gut ein Unternehmen wirtschaftet. Gründlicher Blick auf den Neuen Markt Da wäre ein gründlicherer Blick an den Neuen Markt zu empfehlen, wo in Zeiten höchster Börseneuphorie alle grundlegenden Kennzahlen außer Acht gelassen und Unternehmenswerte anscheinend sowieso nie betrachtet wurden. Das zeigt auch eine Studie von APCON Business Consulting zur Akquisitionsstrategie von 112 am Neuen Markt notierter Unternehmen. Das Resultat: Gekauft wurde reichlich, geprüft, was man kauft, aber nicht. Mehr als drei Viertel der Firmen gingen nach dem Börsengang auf Einkaufstour - und nahmen sich dafür im Schnitt vier Wochen Zeit. Dass nun die größten Hoffnungen auf den neuen Chef der Medienfirma EM.TV, Werner Klatten, auch Geschäftsführer bei Spiegel TV, gemacht werden, scheint also etwas hoch gegriffen. Er hat Einkäufe angekündigt. In guter alter Börsenmanier ist die Aktie sofort in die Höhe geschossen. Und der Neue Markt gleich mit, auch die Billigaktien. Ob das darüber hinwegtäuschen kann, dass einige Firmen zum Untergang verurteilt bleiben, sollte die Deutsche Börse auch betrachten. (este, DerStandard, Printausgabe, 6.7.2001)