International
Aktenführung in Genua "nicht nachvollziehbar"
Rechtsanwalt der inhaftierten ÖsterreicherInnen kritisiert Vorgehen des italienischen Gerichts
Wien - "Sie sind festgenommen. Wegen des Verdachtes
der Bildung einer kriminellen
Vereinigung. Ah, was haben
wir da? Benzingetränkte Kugelschreiber! Kipferl zur Tarnung!" - Die Carabinieridarsteller gaben sich Montag im
Wiener Theatercafé alle Mühe. Den "verhafteten" Journalisten wollte das "Restensemble" der "VolxTheater"-
Gruppe zeigen, wie es ihren
Kollegen vor rund zwei Wochen auf der Rückreise vom
G8-Gipfel in Genua ergangen
war. Eine nettes Schauspiel.
Im Verhältnis zu dem, was der
Anwalt der Inhaftierten im
Anschluss über Außenministerin Benita Ferrero-Waldner
und die italienische Justiz zu
sagen hatte, blieb es jedoch eine recht müde Vorstellung."Viel zu spät reagiert"
Seiner Ansicht nach habe
die Außenministerin "viel zu
spät reagiert", erklärte Anwalt
Wilfried Embacher. "Die Leute
waren 96 Stunden in Haft, ohne je mit einem Rechstvertreter gesprochen zu haben. Erst
nach einer Woche hat sich das
Ministerium eingeschaltet."
Auch für die öffentliche Preisgabe personenbezogener Daten - Ferrero-Waldner zitierte
in einem Fernsehinterview
aus Dossiers des Innenministeriums - sah der Jurist "keine
rechtliche Grundlage".
Schwierige Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit mit
der italienischen Justiz ist
nach Embacher ebenfalls
schwierig. Die Aktenführung
der Staatsanwaltschaft Genua
sei "unübersichtlich" und
"nicht nachvollziehbar". Der
Vorwurf, die VolxTheaterleute gehörten zum "Schwarzen
Block", sei jedenfalls unhaltbar: "Die italienischen Behörden sagen selber, dass der
Black Block in kleinen Gruppen auftritt und nicht zu 25 im
Reisebus." Auch sei die Karawane bereits vor dem Gipfel
kontrolliert worden - und es
sei nichts beanstandet worden, auch die nun inkriminierten Requisiten nicht.
Weitere Einvernahmen
Montag begann in Genua
die Überprüfung der Hafttermine für die noch immer inhaftierten 49 Demonstranten.
Zuerst wurden eine deutsche
Globalisierungsgegnerin und
deren aus Syrien stammender
Freund, der sich als Opfer brutaler Misshandlung seitens
der Polizei erklärte, einvernommen. Wann die 16 österreichischen Inhaftierten aussagen sollen, steht noch nicht
fest. Die Haftprüfungen dauern die ganze Woche, am Montag wird über eine mögliche
weitere U-Haft entschieden.
Würden alle Beweismittel
berücksichtigt, so Embacher,
müssten die Vorwürfe - Bildung einer kriminellen Vereinigung, Plünderung und Verwüstung - fallen gelassen und
die U-Haft gegen die Österreicher aufgehoben werden. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 7.8.2001)