"Bald mehr Parteien als Wähler" habe die slowakische Regierungskoalition, höhnt ein Oppositionsanhänger. Und ein deutscher Journalist klagt: "Kaum passt man ein paar Tage nicht auf, hat sich schon wieder eine Regierungspartei gespaltet. Wer soll sich da noch auskennen?" Vier Parteien unterschiedlichster politischer Orientierung hatten sich im Herbst 1998 darauf verständigt, in einer "Schicksalswahl" den von Europäischer Union und Nato abgelehnten Langzeitpremier Vladimír Meciar endgültig von der Macht zu vertreiben. Bei einer traumhaften Wahlbeteiligung von 84 Prozent bescherten die Slowaken damals diesen vier Parteien gemeinsam die Verfassungsmehrheit von über 60 Prozent der Parlamentsmandate. Seit der letzten Parteispaltung kurz vor der Sommerpause des Parlaments rechnen sich bereits zwölf Parteien zum Regierungslager. Doch laut Meinungsumfragen kämen sie alle zusammen bestenfalls auf etwa 30 Prozent, wenn jetzt gewählt würde. Nur zwei von ihnen würden sicher die Fünfprozenthürde überschreiten, um wenigstens ins Parlament zu kommen. Was die Wähler laut Umfragen am meisten bedrückt, ist bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2002 nicht mehr in den Griff zu kriegen: Die Arbeitslosigkeit, die mit knapp zwanzig Prozent einen europäischen Spitzenwert erreicht, wird laut unterschiedlicher Wirtschaftsprognosen noch mindestens zwei bis vier Jahre anhalten. Und das zweite wichtige Wählerthema, die Kriminalität, hat der aus dem Regierungslager abgesprungene Robert Fico so erfolgreich für sich in Beschlag genommen, dass damit für die Koalitionspolitiker nichts zu holen ist. Also müssen andere Themen herhalten. Neben der nationalistischen Opposition sucht vor allem die Linkspartei SDL von Parlamentspräsident Jozef Migas zunehmend ihr Heil im demonstrativen Abwehren von "ungarischen Erpressungen". Die linke Wählerklientel ist besonders stark von den rigorosen Sozialkürzungen der Regierung betroffen. Die 1991 von ehemaligen Reformkommunisten gegründete SDL ist daher seit der letzten Wahl von stolzen 15 auf nur mehr drei Prozent gefallen. Die konservative "Christdemokratische Bewegung" (KDH) um Justizminster Ján Carnogurský hat erfolgreich vorexerziert, wie es geht, verlorene Kernwähler zurückzuholen. Mit öffentlichen Attacken gegen Prostituierte und Homosexuelle entfesselte die KDH einen wahren Kreuzzug zur "Verteidigung der Familie". Als der linke Bildungsminister Milan Ftácnik in den Schulen Yoga als freiwilliges Unterrichtsfach einführen wollte, um gegen zunehmende Haltungsschäden und Konzentrationsschwierigkeiten vorzubeugen, warnten die Christdemokraten so heftig vor einer "Zerstörung traditioneller christlicher Werte" durch das Einschleusen von "hinduistischen und buddhistischen Wertvorstellungen", dass andere Parteien in Pressekonferenzen verzweifelt nach einem "Themenwechsel zu wichtigeren Fragen" riefen, um medial nicht völlig unterzugehen. Um erfolgreich zu verhindern, dass ins neue Arbeitsgesetz ausdrücklich ein Diskriminierungsverbot gegen Homosexuelle bei der Arbeitssuche aufgenommen werde, scheute die KDH auch nicht den Schulterschluss mit den oppositionellen Rechtsextremisten von der "Slowakischen Nationalpartei" (SNS). Das Agieren gegen Homosexuelle bescherten der Partei zwar in-und ausländische Kritik, aber auch jene wichtige Medienpräsenz, die es ihr ermöglichten, in den letzten Meinungsumfragen wieder knapp über die Fünfprozenthürde zu kommen. Damit wäre sie neben der stabilen Ungarn-Partei und Ministerpräsident Mikulás Dzurindas christlich-liberaler SDKU die dritte der zwölf Regierungsparteien, die den Sprung ins Parlament noch einmal schaffen könnte. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. August 2001)