Europa
Deutsche Grüne entfachen Wehrdienst-Debatte
Forderung nach Abschaffung von Teilen des Koalitionspartners SPD unterstützt
Berlin - Die Grünen-Grundsatzforderung nach Abschaffung der Wehrpflicht aus Gründen der Wehrgerechtigkeit in Deutschland
bekommt Zulauf aus der SPD. Nach dem saarländischen SPD-Vorsitzenden Heiko Maas sprach sich auch die stellvertretende
SPD-Vorsitzende Renate Schmidt für einen längerfristigen Verzicht auf den Zwangsdienst aus. Der Grünen- Verteidigungspolitiker Winfried
Nachtwei sagte am Dienstag in einem dpa-Gespräch, seine Partei werde die Abschaffung von Wehr- und Zivildienst nach der
Bundestagswahl 2002 erneut auf die Tagesordnung bringen.
Nachtwei bestritt, dass die Grünen zur aktuellen Bundeswehrreform gefordert hätten, die Wehrpflicht nicht nur von zehn auf neun Monate,
sondern gleich auf ein halbes Jahr zu verkürzen. Einen solchen Schritt lehnten Renate Schmidt und der CSU- Sicherheitspolitiker Christian
Schmidt ab. Der stellvertretende FDP- Vorsitzende Walter Döring bekräftigte die Forderung seiner Partei nach Einführung einer
Freiwilligenarmee.
"Wehrgerechtigkeit gefährdet"
Renate Schmidt sagte der Tageszeitung "Die Welt", die Wehrgerechtigkeit sei zunehmend gefährdet, weil nur noch ein geringer Teil der
Tauglichen eingezogen werde. Nach den Plänen von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) sollen jährlich rund 100.000
Wehrpflichtige und damit nur knapp ein Viertel eines Jahrgangs eingezogen werden.
Nach Nachtweis Angaben haben die Grünen im Mai bei einem Gespräch mit der SPD-Fraktion bezweifelt, dass mit der von Scharping
erwogenen Verkürzung des Wehrdienstes die Wehrgerechtigkeit hergestellt und der Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen so gering wie
möglich gehalten werde. Dies wäre eher mit einer Wehrdienstdauer von sechs Monaten zu bewerkstelligen. Die Grünen hätten aber keine
derartige Forderung erhoben, sagte er zu einem anders lautenden Bericht der "Welt".
Verkürzung der Wehrdienst-Dauer
Gefordert hätten die Grünen dagegen die Verkürzung des Zeitraums, in dem junge Männer zum Wehrdienst einberufen werden können, auf
ein Jahr. Derzeit kann die Einberufung in der Regel vom 18. bis zum vollendeten 25. Lebensjahr erfolgen. Eine Verlängerung dieses Zeitraums
ist möglich. Die Grünen forderten auch erneut die Gleichbehandlung der Zivildienstleistenden, die derzeit mit 13 Monaten ein Vierteljahr länger
dran sind als Soldaten. Schließlich wollen die Grünen festgeschrieben haben, dass Wehrpflichtige weiterhin nur auf freiwilliger Basis bei
Auslandseinsätzen eingesetzt werden dürfen.
Bundeswehrverband protestiert
Der Bundeswehrverband warf der Bundesregierung vor, sie wolle sich von der Wehrpflicht verabschieden. "Nach außen hält die Koalition an
der Wehrpflicht zwar fest, doch über den Umweg der Parteien ist ein Abschied auf lauten Sohlen geplant", sagte der Verbands-Sprecher
Jürgen Meinberg dem Radiosender "F.A.Z. 93.6 Berlin". Wenn die Wehrpflicht tatsächlich abgeschafft werde, breche das Reformpaket
Scharpings zusammen. Der CSU-Politiker Schmidt sprach von einer "Salamitaktik zur Aushöhlung der Bundeswehr". Er forderte eine
Klarstellung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD).
Der Verband "Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär" wies darauf hin, dass bereits heute mehr als 600.000 Wehrpflichtige
für eine Einberufung zur Verfügung stünden, aber wegen der zu geringen Zahl von Dienstposten nicht eingezogen werden könnten. (APA/dpa)