Europa
Deutschland: Behörden gehen schärfer gegen Arbeitsunwillige vor
Arbeitslosen-Gelder vorübergehend gestrichen
Frankfurt/Main - Angesichts der Flaute auf dem deutschen Arbeitsmarkt gehen die Behörden schärfer gegen so genannte
Arbeitsunwillige vor. In den alten Bundesländern wurden bis Juni 15 Prozent mehr Arbeitslosen die Gelder vorübergehend gestrichen als im
vergangenen Jahr, wie die "Berliner Zeitung" unter Berufung auf die Bundesanstalt für Arbeit berichtete. Arbeitslosenvertreter kritisierten, dass
die Sperren die Arbeitslosigkeit nicht beseitigen und zudem oft ungerechtfertigt verhängt würden.
Dem Bericht zufolge haben die Arbeitsämter in der ersten Jahreshälfte 20.411 Arbeitslosen die Gelder vorübergehend gestrichen, weil sie
zumutbare Stellen nicht angenommen hätten. Während der Sperrzeiten bekommen Arbeitslose zwischen sechs und zwölf Wochen kein
Arbeitslosengeld und keine Arbeitslosenhilfe. Bei wiederholten Sperrzeiten könnten die Ansprüche auf die Zahlungen ganz verloren gehen.
Davon waren den Angaben zufolge im genannten Zeitraum in den alten Ländern mehr als 8.200 Personen betroffen und damit fast sechs
Prozent mehr als im vergangenen Jahr.
Fast 10.000 weiteren Arbeitslosen sei zeitweise die Unterstützung entzogen worden, weil sie eine Bildungsmaßnahme verweigert oder
abgebrochen hätten. Bei fast einer halben Million freier Stellen in den alten Ländern gebe es vielerorts gute Möglichkeiten, Erwerbslosen eine
Beschäftigung anzubieten.
Die Zahl der verhängten Sperrzeiten ist dem Bericht zufolge in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Demnach belief sie sich im Jahr
1997 bundesweit auf knapp 48.000, ein Jahr später schnellte sie auf 70.000 hoch. Im ersten Regierungsjahr der rot-grünen Koalition 1999
sei sie auf fast 86.000 gestiegen. Im vergangenen Jahr hätten die Ämter mehr als 90.000 Arbeitsunwilligen die Unterstützung entzogen, davon
73.400 aus den alten Ländern.
Der Vizevorsitzende des Arbeitslosenverbands, Gerd Mikeska, sagte, die Kriterien, nach denen die Zumutbarkeit von Arbeitsstellen bewertet
werde, würden immer weiter abgesenkt. Qualifizierung oder jahrelange Erfahrung zählten nicht mehr. Es sei aber keine Lösung, die Menschen
in Niedriglohnbereiche zu drängen. Um die Arbeitslosigkeit zu senken, müssten beispielsweise durch Überstundenabbau neue Stellen
geschaffen werden. (APA/AP)