Belfast - Der Chef der Partei Sinn Féin, Gerry Adams, hat vor einem drohenden Kollaps der nordirischen Regierung gewarnt. Angesichts des Stillstandes im Friedensprozess sei das Ende der politischen Institutionen "in sehr kurzer Zeit" programmiert, sagte Adams am Mittwoch in Belfast. Niemand dürfe die derzeitige tiefe Krise unterschätzen. "Alle Streitfragen" könnten aber durch einen "Dialog und das Festhalten am Friedensabkommen gelöst werden", betonte Adams zugleich.

Schuld an der Krise ist nach Ansicht von Adams allein die führende protestantische Partei, die probritische Ulster Unionist Party. Der Chef der UUP, David Trimble, war am 1. Juli von seinem Amt aus Protest gegen die Weigerung der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) zu ihrer Entwaffnung zurückgetreten. Eine überraschende Initiative der IRA in letzter Sekunde zur Vernichtung ihrer Waffen lehnte Trimble am Dienstag wegen einer fehlenden zeitlichen Verpflichtung ab.

In Belfast wurde am Mittwoch damit gerechnet, dass die britische Regierung möglicherweise schon am Freitag - einen Tag vor Ablauf einer verfassungsmäßigen Frist - das nordirische Regionalparlament und die Regionalregierung wegen der Unfähigkeit, sich auf einen neuen Regierungschef zu einigen, "suspendiert". Dies würde bedeuten, dass Nordirland wieder direkt von London verwaltet wird. Durch die Suspendierung würde zunächst verhindert, dass Neuwahlen für das Regionalparlament ausgeschrieben werden müssten, bei denen allen Umfragen zufolge die Gegner des Friedensabkommens gestärkt würden.

Keine der drei großen nordirischen Parteien - Sinn Féin und SDLP auf der katholischen sowie die UUP auf der protestantischen Seite - hat sich bereit erklärt, ein Papier zu unterstützen, mit dem die britische und die irische Regierung den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen suchten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9. August 2001)