Severino Antinori ist ein Glücksfall - nicht nur für die älteren Damen, die er mit spätem Kindersegen beglückt hat. Der italienische Fortpflanzungsmediziner ist ein Tabubrecher. Schon nächstes Jahr, so seine Ankündigung diese Woche vor der US-Akademie der Wissenschaften, kommt der erste Menschenklon - für ein Paar, bei dem die gute alte Methode nicht recht klappt. Antinori sei Dank, weil er ein technisch wohl machbares Verfahren nicht Sekten wie den Raelianern allein überlassen will. Diese planen ja, damit Unsterblichkeit zu erreichen, wie sie in Washington vortragen durften. Was kann schon passieren? Der Versuch gelingt oder eben nicht. Im ersten Fall würde also die beim Tier angewandte Technik so verfeinert, dass auch Männer ohne brauchbares Sperma Kinder bekommen können. Schön für sie, einen schönen Klon ihr Kind nennen zu können. Es werden sich nur wenige leisten können, man wird den Betuchten keine lästigen Fragen nach ihrem heftig ausgeprägten Kinderwunsch stellen. Vielleicht wird Menschenklonen eines Tages sogar an die Stelle der In-vitro-Befruchtung (IVF) treten, weil es sich als die sanftere Technologie erweist. Das würde in der IVF ein Einfallstor für mehrere ethische Probleme schließen. Hier bleiben - zumindest derzeit - jene Embryonen übrig, die dann mit oder ohne Forschung vernichtet werden. Hier beginnt die problematische Genselektion in "qualitativ schlechter" und besser. Gelingt die Klonoperation nicht, ist die Fortpflanzungstechnik mausetot. Und die Medizinforschung kann sich - um den hohen Preis von Tausenden embryonalen Versuchskaninchen und enttäuschten Hoffnungen - drängenden Fragen wie Malaria oder Tuberkulose widmen. Für dieses rasche Ende der Kloniererei sprechen die Erfahrungen mit dem Klonschaf Dolly. Es ist die Nummer 277 in der Versuchsreihe zu seiner Kreation. Will sagen: 276 Lammembryonen oder Lamperln wurden zu nicht lebensfähigen Krüppeln. Sieben Monate lang hielten die Forscher dann Dolly noch sicherheitshalber geheim. Nun tut auch Antinori einiges, damit man künftige Homunculi horriblen Zuschnitts nicht bei ihm findet. Daher die Geheimniskrämerei um das Labor des Menschenbastlers. Doch mit seinen resoluten Auftritten, bei denen er sich in aller Bescheidenheit mit Galileo vergleicht, hat er die Weltöffentlichkeit auf sich aufmerksam gemacht. Danke auch dafür. Spätestens im Sommer 2002 werden ihn die ersten Medien nach dem Verbleib der Klone befragen. Und wenn er in ein paar Jahren noch immer keine Ergebnisse bringt, wird sich die kritische Öffentlichkeit so oder so ihren Reim drauf machen. Damit bringt Antinori - wohl unfreiwillig - ethisch bedenkliche Forschung von der Peripherie ins Zentrum. Das stünde auch anderen biomedizinischen Experimentierern gut an, die sich - etwa bei embryonalen Stammzellen - hauptsächlich an etwas abgelegenen Instituten tummeln. Der Fall Antinori zeigt, dass sich Forschung immer auch der gesellschaftlichen Kontrolle stellen muss. Nicht dass ihre Freiheit infrage zu stellen wäre, aber die Menschen sollten doch mitreden dürfen, wenn das Forschungsobjekt der Mensch selbst ist. Zum Mitreden liegt, wenn der ganze Klon-Hype einmal vorbei ist, hoffentlich so viel Information auf dem Tisch, dass wir zur Differenzierung schreiten können. Zur gesellschaftlichen Erkenntnis, dass es da auch noch ein anderes Klonen gibt, jenes zu Therapiezwecken. Therapeutisches Klonen dagegen wird es nie geben, denn das Kopieren selbst bringt keine Heilung. Bei sachlicher Diskussion wird man auch Antinoris Vision hinterfragen müssen: Kinderkriegen als "Menschenrecht". Derlei markige Ansagen offenbaren, wie sich in der Debatte die Maßstäbe verschieben. Das geht nicht gegen Kinderlose, sondern für die allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Der Wunsch nach Kindern, so verständlich er ist, verdient nicht, in den Olymp elementarer Rechte aufgenommen zu werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.8.2001)