Im Wiener Album Verlag sind gerade zwei Bücher über den Architekten Adolf Loos erschienen, die Freude machen. Loos ist wohl einer der bestdokumentierten und meistpublizierten Baumänner des 20. Jahrhunderts, trotzdem werfen die beiden Bildbände, von Markus Kristan unter den schlichten Titeln "Adolf Loos: Villen" und "Adolf Loos: Wohnungen" herausgegeben, neue Lichter auf die Arbeiten des 1870 in Brünn zur Welt gekommenen, 1933 in Wien gestorbenen Architekturradikalos. Denn zu sehen sind hier viele bis dato nicht veröffentlichte Fotografien von noch bestehenden sowie bereits vernichteten Objekten. Loos hat diese Fotoarbeiten oft selbst aktiv mitinszeniert, was den heutigen Betrachter die verschiedenen Wohnlandschaften und Villen gewissermaßen posthum mit den Augen ihres Architekten sehen lässt. Herausgeber Kristan: "In dieser Hinsicht bietet das vorliegende Loos-Buch auch für den Loos-Kenner einige Neuigkeiten oder zumindest - und dies im doppelten Sinn des Wortes - andere Perspektiven." Geschossen hat die Fotos um 1930 der Wiener Industrie- und Architekturfotograf Martin Gerlach junior. Er bereitete damals eine große Loos-Monographie zu dessen 60. Geburtstag vor. Die Fotoplatten ruhten neben vielen anderen Zeitdokumenten jahrzehntelang in Gerlachs Privatarchiv, erst Mitte der 90er-Jahre erwarb die Albertina die Glasplatten als Ergänzung zum Loos-Archiv, hier werden sie großteils erstmals öffentlich vorgestellt. Die Bücher sind nicht allzu fette Fotobände, ergänzt von ebenfalls nicht zu umfangreichen Vorworten sowie ausgewählten Texten des Architekten. Schön gemacht und sehr interessant. Der Steinmetzsohn, der bis 1893 in Dresden Architektur studiert und bereits mit seiner ersten größeren Arbeit, dem kargen Wiener Café Museum, einen kollektiven Aufschrei des Entsetzens in der schnörkelgewohnten Gesellschaft verursacht hatte, verunsicherte seine Zeitgenossen nachhaltig, und viele seiner Zitate verunsichern bis heute jene, die sich nicht der Mühe unterziehen, seine umfangreichen Abhandlungen über Architektur und Kultur genauer zu studieren. Seine Aussage, das Ornament sei ein Verbrechen, ist wohl eine der missverstandensten der Architekturgeschichte, und wer die Album-Bücher erst liest, dann studiert und mittels Zeitfaktor in die richtige Position dividiert, kann für sich herausfinden, was Loos damit wirklich gemeint hat. Natürlich erscheinen vor allem seine Wohnungseinrichtungen heute verstaubt, üppig, finster, überfrachtet, durchaus ornamentiert. Doch wie er trotz beengter Verhältnisse mit dem Raum spielt, mit Mauerdurchbrüchen und Raumstrukturen arbeitet, beeindruckt außerordentlich. Leichter ist dieses Raum- und Formtalent des Architekten in seinen Villen zu lesen, die ihm selbstverständlich mehr Gestaltungsfreiheit als die Wohnungsumbauten boten. Kluge Leute haben Loos eingehend studiert, so schrieb etwa Heinrich Kulka bereits 1931: "Durch Adolf Loos kam ein wesentlich neuer, höherer Raumgedanke zur Welt: Das freie Denken im Raum, das Planen von Räumen, die in verschiedenen Niveaus liegen und an kein durchgehendes Stockwerk gebunden sind, das Komponieren der miteinander in Beziehung stehenden Räume zu einem harmonischen, untrennbaren Ganzen und zu einem raumökonomischen Gebilde." Und Friedrich Kurrent sieht in der Verbindung zwischen der "mediterranen Kultur der Alten Welt und der amerikanischen der Neuen Welt" den "Stoff für die Loossche Synthese im Wohnungsbau". Die Persönlichkeit Adolf Loos selbst muss für ihre Zeitgenossen eine mindestens so harte Nuss gewesen sein wie seine architektonsichen Ausnahmeprodukte. Er selbst zweifelte am Transportmittel der Fotografie, zumindest was seine Raumkonstrukte anbelangt: "Ich aber sage: Ein rechtes bauwerk macht im bilde, auf die fläche gebracht, keinen eindruck. Es ist mein größter stolz, daß die innenräume, die ich geschaffen habe, in der photographie vollständig wirkungslos sind." Als weniger wirkungslos empfand das gesunde, gleichwohl gekränkte Ego Loos' sein eigenes Schaffen. So veranstaltete er Wohnungsführungen für Interessierte und schrieb darüber 1907 in einem Essay: "Man glaube nicht, daß ich die Kopisten unter ihnen fürchte. Im Gegenteil: Ich wäre glücklich, wenn jeder Architekt in meinem Sinne schaffen würde. Aber sie werden es nicht tun. Sie werden nur mißverstehen." Und 1910 stellte er, leicht angesäuerlt und dennoch von der eigenen Tugend quasi durchdrungen, fest: "Auf die ehre, in den verschiedenen architektonischen zeitschriften veröffentlich zu werden, muß ich verzichten. Die befriedigung meiner eitelkeit ist mir versagt. Und so ist mein wirken vielleicht wirkungslos. Man kennt nichts von mir. Da aber zeigt sich die kraft meiner ideen und die richtigkeit meiner lehre. Ich, der unveröffentlichte, ich, dessen wirken man nicht kennt, ich bin der einzige von den tausenden, der wirklich einfluß besitzt." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4./5 8. 2001)