Für manche ist es einfach naturgegeben - das Licht. Für andere bleibt es unergründlich, ein Mysterium. Handelt es sich nun um Energie, um Materie oder um einen untastbaren, ungreifbaren Werkstoff, mit dem man kultivierten Umgang pflegen und Nutzen daraus ziehen kann? Noch immer kiefeln Fachleute an der wissenschaftlichen Definition für etwas, das so selbstverständlich wie vielfältig scheint. Denn Licht ist nicht gleich Licht, und eine Institution namens "La Sfacciata", untergebracht in einer 2000 m² großen Herrschaftsvilla bei Florenz, ist dem Phänomen Licht auf technisch-wissenschaftlicher und auch künstlerischer Basis auf der Spur. Künstler, Designer, Techniker, Physiker und jeder Innovative, der dem manchmal trügerischen Lichtschein auf die Schliche kommen will, ist in der Villa, hoch oben auf einem toskanischen Hügel, willkommen. Mehr als zweitausend Menschen pilgerten im letzten Jahr hierher, um Erleuchtung zu finden, zu referieren oder einen Kurs, beispielsweise zum Thema Kirchenbeleuchtung, zu absolvieren. Die Produktionsanlagen des dazugehörigen Unternehmens Targetti befinden sich im nahe gelegenen Florenz und sind teils geheimes Sperrgebiet. In den auch von Außenstehenden begehbaren Zonen zeigte sich die Fabrik als kleines Hightechgelände. In einem Teil wurde für die Universität Florenz ein Labor eingerichtet, in einem anderen Part werden unter blitzsauberen Bedingungen, die an verborgene Laboratorien aus einem James-Bond-Film erinnern, allerlei Produkte wie zum Beispiel supercleane Reflektoren gefertigt, die von Robotern sehr staccato sortiert werden. In die Halle gelangt man, indem man durch eine Schleuse huscht, um möglichst wenig vom hier gar nicht willkommenen Staub mit einzulassen. Der Lichtkosmos von Targetti ist ein faszinierendes Zusammenspiel zwischen Technik, Wissenschaft und Design, im Zentrum aller Aktivitäten strahlt immer das Licht selbst. Alles andere ist Werkzeug, Hardware, einfach Mittel zum Zweck des Lichts und nimmt zusammen immer mehr ausgetüftelte Ausmaße an, egal ob es sich um die intensive Filterforschung oder um die Suche einiger hier werkender Dissertanten handelt, die im Lichtermeer nach Lichttemperaturen oder Lichtfarben fahnden. In einer weiteren Halle, hinter einem riesigen Lager, rollen relativ unspektakulär kleine Plastikteilchen über Förderbänder, die, mit anderen Einzelteilen zusammengesetzt, eines der 3000 von Targetti produzierten Objekte ergeben. Diese Lichtwerkzeuge reisen später fertig assembliert an die verschiedensten Orte, sie landen auf Schreibtischen, in einem der von Targetti ausgestatteten Nike-Shops, im Stift Klosterneuburg, in den Boxen von Ferrari und McLaren, im Hauptbahnhof von Amsterdam oder gar beim letzten Abendmahl des Leonardo da Vinci, das ebenfalls durch Targetti ans Licht kommt. Das Unternehmen Targetti ging 1980 an die Börse, setzt pro Jahr öS 1,4 Milliarden / EURO um, erwirtschaftet 101 Millionen. Man beschäftigt sich außer mit Lux, Calvin und Materialien auch mit Oberflächen, ihren Farben und Strukturen und will sich auf Umgebungen spezialisieren, die Licht brauchen, von der Apotheke über das Postamt bis zur Kathedrale. Die Philosophie des 1928 gegründeten Unternehmens stellt die Komplexität von Umgebungen in den Vordergrund. Das Produkt wird dadurch zum Leuchtinstrument, Design gliedert sich in Kreativität, Architektur, Technik, Physik und Elektrik, alles Bereiche, die einander leicht ins Gehege kommen können, bei Targetti aber nicht als konkurrierende Notwendigkeiten unter einen Lampenschirm gebracht werden, sondern miteinander jede Lampe in ihr bestes Licht rücken wollen. Dass die Arbeit des Designers bei Targetti nicht hinter jener des Technikers nachhinkt, zeigt sich in der Tatsache, dass Paolo Targetti nicht nur Boss des Unternehmens, sondern gleich auch Chefdesigner ist. Die zuvor erwähnte Renaissance-Villa, in der das Unternehmen seine Lichtforschungsstätte "La Sfacciata" untergebracht hat, gehörte dereinst der Familie des Amerigo Vespucci, später wohnten hier die Winzer-Giganten Antinori. Dann wurde das Areal vom Unternehmen Targetti übernommen, das aus elf Gesellschaften besteht. Der Leuchtenkonzern brachte "La Sfacciata" und somit das Licht in unterschiedlichster Form in die alten Gemäuer, die allesamt toprenoviert wurden. Neben durchgestylten Konferenzräumen, Unterrichtszimmern, einem Multimediasaal, einer Bibliothek, die garantiert die Augen jedes Licht-Interessierten zum Leuchten bringen, ist hier auch die Targetti-Licht-Kunst-Sammlung zuhause. Ausgestellt sind verschiedenste Arbeiten, von den netten Lichtspielereien eines Fabrizio Corneli bis zu leuchtenden Textcollagen von Fabrizio Rivola oder der Lichtkunst eines Werner Klotz. Die heuer im März gestartete Österreichische Designstiftung, bei der auch das Unternehmen Targetti Mitglied ist, lud gemeinsam mit dem Lichtkonzern kürzlich zum Besuch ihrer Werke in Florenz und zur Präsentation der Lichtakademie. Zu hören war etwa der Vortrag von Professor Farrini, der als theoretischer Physiker am Florentiner "Institute for Applied Optics" forscht. Der Lichtexperte hinterfragte das Eigentliche an der "Vision" Licht, indem er über die Farbe, die über komplizierte visuelle Mechanismen das Licht ins Gehirn bringt, referierte. Erst dort sei es, wo Licht wirklich passiere. Weiters berichtete er über Dinge wie Farbenkonstanz im Hirn, die uns helfe, Dinge zu erkennen - ohne sie könne unsereins nur bei Tageslicht wirklich sehen. Goldene Regel für die individuelle Wahrnehmung des Scheins und der Farbe gebe es freilich keine, für jede Situation gelte anderes - oder, frei nach Twin Peaks, "es ist nicht was es scheint". La Sfacciata habe laut Farrini dabei die Aufgabe, das Link zwischen Lichtindustrie und Wissenschaft der Visionen zu verstärken. Am Ende des kleinen Toskana-Intermezzos wussten die Beteiligten freilich noch immer nicht genau, wie dem Phänomen Licht nun wirklich zu begegnen sei, doch wurde die Frage nach all den hier gelegten Fährten bestimmt in ein besseres Licht gerückt. Michael Hausenblas