Mit Ausrufungspreisen von rund 50 Prozent unter dem Schätzwert bieten Zwangs- versteigerungen Schnäppchenjägern gute Gelegenheiten, eine billige Immobilie zu ergattern. Fundierte Kenntnis des Marktes ist aber empfehlenswert, um mitzubieten. Der "Schmäh" rennt Gelöste Atmosphäre im Gerichtssaal. Der "Schmäh" rennt geradezu. Mit schnellen Schritten nähern sich die Gebote der 300.000 Schilling Grenze. "Wenn des so weiter geht, kann er sich aber viele Doppler kaufen", scherzt einer der Bieter. "Die wird er a brauchen", entgegnet unter Gelächter ein anderer. Gegenstand der fragwürdigen Erheiterung: Ein kleiner total verunsichert wirkender Mann, der sich laufend mit zittriger Hand durchs Haar streicht. Er ist der Noch-Eigentümer einer 40 Quadratmeter großen Wohnung in Wien Favoriten, die gerade versteigert wird. Dagegen geradezu super cool mit verschränkten Armen in den Sessel zurückgelehnt, lizitiert ein braun gebrannter Herr mit offen zur schau gestellter Vorliebe für Goldschmuck den Preis in die Höhe. Zuschlagserteilung Damit ist ein junger Mann an seinem finanziellen Limit angelangt und gibt das durch seine Gestik deutlich zu erkennen. "Wollen S' die Wohnung, dann halt ma uns zurück", fragt plötzlich einer der Mitbieter leise und fordert ihn zu einem kurzen Gespräch außerhalb des Verhandlungssaales auf. Streng unter dem Motto: Tausche freundliche Zurückhaltung gegen kleine Anerkennung bei Zuschlagserteilung. Damit hat er aber die Rechnung ohne einige Bieter gemacht, die diese kleine Abmachung kalt lässt. Trotz stehender Luft, gepaart mit glühender Hitze haben nämlich rund 20 potentielle Käufer Lunte gerochen und sind in den Gerichtssaal gekommen. Unter den Bietern sind neben privat Interessierten auch viele Makler und Investoren die einander offensichtlich kennen. Deren Rechnung ist diesmal allerdings nicht aufgegangen. Je weiter die Gebote in die Höhe schnellen, desto mehr steigen aus und holen sich das zuvor hinterlegte Vadium (Sparbuch oder Bargeld als Voraussetzung, um mitsteigern zu können) von der Richterin wieder zurück. Den Zuschlag erhielt um 454.000 S eine Frau, die in demselben Haus wohnt und die Wohnung für ihre Kinder wollte. Schätzwert der Immobilie lag bei 560.000 S. "In dieser Höhe wird's für Spekulanten uninteressant, das ist es nicht wert", meint einer der Mitbieter. Gute Gelegenheit Mit guter Taktik, Ausdauer und etwas Glück kann ein Schnäppchenjäger auf Auktionen Wohnungen oder ein Haus um bis zu 50 Prozent unter dem Schätzwert ergattern. Gute Kenntnis des Marktes ist aber Voraussetzung, um mitsteigern zu können. Mit rund 9000 neu eingereichten Bewilligungsverfahren in Österreich pro Jahr, inklusive Gewerbeimmobilien, gibt es dazu viele Gelegenheiten. Der Wiener Versteigerungsführer beispielsweise, zeigt mit detaillierten Beschreibungen auch gleich den Weg zur billigen Immobilie. Das finanzielle Unglück anderer ist allerdings Voraussetzung, um bei einer Versteigerung günstig Wohnungsshoppen gehen zu können. "Viele haben einfach zu lange gewartet, um am freien Markt noch zu einem akzeptablen Preis verkaufen zu können", meint Alexander Maly, Gründer der Schuldnerberatungsstelle Wien. Neben privaten Gläubigern sind im wesentlichen Banken oder Versicherungen die Betreiber der Verfahren. "Die Menschen haben zu wenig Eigenkapital und glauben, dass nichts passieren kann. Viele Häuslbauer sind zwar fleißig, aber keine guten Geschäftsleute", so die Erfahrung von Roswitha Mikusch, Geschäftsführerin der niederösterreichischen Schuldnerberatungsstelle St. Pölten. Ist es einmal zur Zwangsversteigerung gekommen, bleibt für die Schuldnerberater nur mehr die Aufgabe der Schadensminimierung. "Zuerst wird die Existenzfrage geklärt, und dann beginnt die Sanierung", erläutert Mikusch. (Ernst Eichinger, DER STANDARD Print-Ausgabe 13.August 2001)