Ökologie
Greenpeace: Turbine in Temelin vibriert wieder
Vibrationen verursachten Ölleitungsriß - Reaktorleistung heruntergefahren
Wien/Temelin - Die Turbine im umstrittenen südböhmischen Atomkraftwerk Temelin vibriert nach Angaben der Umweltschutzorganisation Greenpeace wieder. Momentan scheine die Turbine abgeschaltet zu sein, möglicherweise werde der Reaktor am Nachmittag wieder hochgefahren, sagte der Sprecher von Greenpeace Österreich, Matthias Schickhofer, am Mittwoch. Aus der Sicht von Greenpeace bestätige sich damit, dass die Pannenanfälligkeit von Temelin nicht gelöst und der Reaktor nicht sicher sei.
Trotz mehr als zweimonatiger Reparaturphase habe man die technischen Probleme nach wie vor nicht im Griff. Greenpeace sei "empört darüber, dass die tschechischen Temelinbetreiber offensichtlich versuchen, Temelin mit allen Mitteln ans Netz zu bekommen, um den Preis, für den (die Betreiberfirma) CEZ privatisiert werden soll, möglichst hoch zu treiben". Das sei "ein Hazardspiel mit der Sicherheit und der Gesundheit der Menschen, die von Störfällen betroffen sind", so Schickhofer.
Vibrationen verursachten Ölleitungsriß
Radko Pavlovec, Beauftragter des Landes Oberösterreich für grenznahe Atomanlagen, teilte wie zuvor schon Greenpeace am Mittwoch mit, dass es im ersten Block des AKW Temelin in den frühen Morgenstunden zu einem neuerlichen Zwischenfall gekommen sei: Nach einem Versuch, die Turbine in Betrieb zu nehmen, seien wieder starke Vibrationen aufgetreten. Nach vertraulichen Berichten von Kraftwerksmitarbeitern sei es erneut zum Riß einer Ölzuleitung gekommen, der Reaktor mußte auf Minimalleistung heruntergefahren werden.
"Die aufgetretenen Probleme deuten darauf hin, daß die Reparaturarbeiten an der Trubine nicht von Erfolg gekrönt waren", erklärte Pavlovec in einer Aussendung. "Die Unbrauchbarkeit der in Temelin eingesetzten Turbinenprototypen wird immer mehr zum Faktum. Die Betreiber sind damit mit einem Milliardenproblem konfrontiert". Nach vertraulichen Berichten der Kraftwerksmitarbeiter sei in den spätem Nachtstunden mit dem Hochfahren des Reaktors von 10 Prozent auf 30 Prozent der Nominalleistung begonnen worden. Nach dem Erreichen der 30-Prozent-Marke wurde die Turbine angeschlossen. Wie bereits vor drei Monaten seien starke Vibrationen aufgetreten, die zum Abriß einer Ölzuleitung geführt haben sollen. Der Reaktor sei auf die Minimalleistung von 1,5 Prozent zurückgefahren worden.
Behörde weiß nichts von Problemen
Als sehr bedenklich müsse das Verhalten der tschechischen Nuklearaufsichtsbehörde SUJB eingestuft werden, so Pavlovec. "Die Behörde duldet den Mißbrauch des AKW Temelin - selbst ein ungeprüfter Prototyp - zum Testen eines Turbinenprototyps. Eine solche Vorgangsweise ist in keinem EU-Land denkbar und wirft ein schlechtes Licht auf die immer wieder zur Schau gestellte Unabhängigkeit der Nuklearaufsichtsbehörde", erklärt Pavlovec. "Die Behörde erlaubte die Fortführung der Inbetriebnahmetests, obwohl die durch Vibrationen auf den Zuleitungen und der Gebäudekonstruktion aufgetretenen Schäden nicht untersucht wurden. Auf die Anfrage des Büros Pavlovec zum heutigen Zwischenfall erklärte der Sprecher von SUJB Pavel Pitterman, die Behörde wäre über die Zuschaltung der Turbine informiert, wisse jedoch nichts über die angeblich aufgetretenen Probleme."
Durch die "verantwortungslosen Experimente mit dem Turbinenprototypen sind die Kraftwerksmitarbeiter unmittelbar gefährdet. Die resultierenden Schnellabschaltungen haben auch Auswirkungen auf den nuklearen Teil des Kraftwerks. Ein weiteres Fortführen der verantwortungslosen Turbinenexperimente in Temelin darf nicht mehr toleriert werden, so Pavlovec. "Österreich, Deutschland und die EU-Kommission müssen den Temelin-Betreibern klarmachen, daß die Turbinenprobleme auf einem externen Prüfstand behandelt werden müssen und keineswegs in einem ungeprüften Kernkraftwerk. Die passive Rolle der tschechischen Nuklearaufsichtsbehörde muß ebenfalls dringend untersucht werden", forderte er.
Temelin-Sprecher: "Abstimmungen" nötig
Der Sprecher des AKW Temelin, Vaclav Brom, erklärte am Mittwoch, die Techniker hätten die "Turbine erstmals nach der mehr als dreimonatigen Pause vorübergehend angeschlossen und ihren ersten diagnostischen Test durchgeführt". Dabei habe sich die "Notwendigkeit" gezeigt, "Abstimmungen" an der Turbine durchzuführen. Die Mitarbeiter der Lieferanten-Firmen würden nun auf Grund weiterer Auswertung der Tests die notwendigen Abstimmungen durchführen und nach deren Beendigung werde man die Tests an dem Turbinen-Maschinensatz fortsetzen.
Die Turbine hatte in der dreimonatigen Pause repariert werden müssen, nachdem ein Teil ihres Rotors deformiert wurde. Dieser beschädigte Bestandteil wurde zur Firma "Skoda Energo" nach Pilsen gebracht und ein entsprechender Ersatzteil installiert. Darüber hinaus waren in dem Turbinen-Teil des Atomkraftwerkes die Regulationsventile repariert worden, die man als Hauptursache der Vibrationen der Rohrleitungen betrachtete.
Simma: Nächstes Kapitel der Pannenserie
SPÖ-Umweltsprecherin Ulli Sima erklärte unterdessen in einer Aussendung, wenige Tage nach der "breitkritisierten Inbetriebnahme des Pannen-Atomkraftwerks Temelin gibt es die nächste Panne". Die Probleme mit der "falschgelagerten Turbine erweisen sich als unlösbar. Die Temelin-Betreiber stehen damit vor einem Milliardenproblem, weil eine neue Turbine Milliarden kosten wird", so Sima. Temelin werde mehr und mehr zu einem Fass ohne Boden, kritisiert die SPÖ-Umweltsprecherin. "Wieviel muss noch passieren, bis endlich die tschechischen Verantwortlichen einsehen, dass es sinnlos ist, Temelin ans Netz zu bringen." An Umweltminister Wilhelm Molterer (V) richtete Sima die Aufforderung, abseits des Melker Prozesses Ausstiegszenarien auf EU-Ebene zu skizzieren. Es gebe von Seiten des EU-Parlaments bereits sehr gute Vorschläge, nämlich Temelin als stranded Investement abzuschreiben. "Österreich soll hier endlich konkrete Vorschläge machen". (APA)