Kaum hat die IRA großspurig verkündet, sie habe einen Vorschlag zur endgültigen und verifizierbaren Entsorgung ihrer Waffen unterbreitet, nimmt sie das Zugeständnis wieder vom Tisch. Die britische und die irische Regierung wissen nun, dass die IRA bereit ist, ihre verbunkerten Arsenale irgendwann zu versiegeln.

Die Rücknahme des Vorschlages entwertet diese Erkenntnis nicht; verhandlungstechnisch ist das Gelände erobert. Und doch folgt das trotzig wirkende Verhalten der IRA einer inneren Logik, die sich allmählich zur Gesetzmäßigkeit verdichtet: Die verbotene Untergrundorganisation reagiert nur auf extremen Druck, sie hat noch nie eine Initiative ergriffen, wenn die klimatischen Umstände günstig waren.

Deshalb greifen die protestantischen Parteien Nordirlands zum Mittel des Ultimatums. Das bringt kleine Zugeständnisse, aber nie das gewünschte Ergebnis. Die IRA macht einen halben Schritt, wenn sie einen ganzen machen sollte, oder sie läuft in eine gänzlich andere Richtung, um den Gegner zu verwirren. Das schadet dem politischen Prozess und der Vertrauensbildung, fördert aber mittelbar die langfristigen Ziele der IRA und ihrer politischen Zwillingsschwester, der Sinn-Féin-Partei.

Die Leidtragenden sind jene Unionisten, die unverändert positiv mit dem Friedensprozess umgehen. Natürlich waren sie es, die sich die Entwaffnung einst ausgedacht haben, aber inzwischen bestätigt das Taktieren der IRA die Zweifel der Friedensgegner.

Die gleichzeitigen Nachrichten aus Kolumbien, wonach IRA-Leute dort Guerilleros ausbilden, bestärken immer mehr Unionisten in ihrer Überzeugung, die IRA behandle sie mit derselben Geringschätzung, die eine Katze im Umgang mit einer gefangenen Maus an den Tag legt. Der Unterschied liegt im Falle Nordirlands darin, dass die Maus freiwillig mitspielen muss. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 16.8.2001)