EU
EU-Erweiterung der Sprachverwirrung
Pläne zur künftigen Vereinfachung bei Übersetzungen stoßen auf Widerstände
Brüssel/Wien - Es ist pure Mathematik: Wenn heute für die EU-Institutionen bei 15 Mitgliedstaaten und elf Unionssprachen 1500 Übersetzer und 500 Dolmetscher arbeiten - wie viele müssen es dann nach einer Erweiterung der EU auf 25 Staaten und 21 Amtssprachen sein? - Diese Rechenaufgabe bereitet der EU-Kommission in Brüssel arges Kopfzerbrechen. Sie muss nämlich eine weitere Frage beantworten: Was kostet das?
Möglichst wenig, lautet das Ziel von EU-Kommissar Neil Kinnock, der gerade an einer Verwaltungsreform feilt. Doch als Details aus seinem Entwurf zur Neuorganisation des Dolmetscher- und Übersetzerdienstes bekannt wurde, setzte es vor allem aus Paris Schelte. Der Vorwurf: Kinnock wolle Englisch zur Unionssprache machen und das Französische verdrängen.
Dabei hatte der Brite nur vorgeschlagen, Arbeitsentwürfe bei der Vorbereitung von Beschlüssen allein in der Sprache zu diskutieren und zu ergänzen, in der sie verfasst wurden. Erst die Endversion sollte übersetzt werden.
Die Auswirkung dieser Regel wäre in der Tat für das Englische günstig, hat es sich doch in den letzten Jahren in den Direktionen der EU-Kommission, des Parlaments und des Rats in der Praxis immer mehr als Arbeitssprache durchgesetzt. Nur der Europäische Gerichtshof pflegt allein das Französische.
Die Außenminister Frankreichs und Deutschlands, Hubert Védrine und Joschka Fischer, haben wegen der Sprachpläne schon in einem Brief an die EU-Kommission protestiert. - Die Deutschen waren bereits 1999 von der finnischen EU-Präsidentschaft brüskiert worden, die Deutsch nicht neben Englisch und Französisch als Arbeitssprache bei informellen Ministertreffen anboten - entgegen der EU-internen Übung.
EU-Sprache schwere Sprache...
Bei diesem Konflikt steht Österreich Seite an Seite mit den Deutschen. Doch bei Treffen auf niedrigerem Niveau - bei Arbeitsgruppen des Rates - ist Wien offener. Dort beharre man nicht darauf, dass Deutsch gesprochen wird, heißt es aus Österreichs Ständiger Vertretung in Brüssel.
Unabhängig vom Überlebenskampf des Deutschen und des Französischen als Arbeitssprachen: An der Regel, dass alle offiziellen EU-Akte in alle Amtssprachen übersetzt werden, lässt sich nichts ändern. Sie ist nötig, denn auch der letzte griechische Zollbeamte muss genau wissen, was in den Verordnungen steht, die er anwendet.
Viel problematischer wird nach der EU-Erweiterung das Dolmetschen bei Ratssitzungen. Schon jetzt wird nicht alles direkt in jede Sprache übersetzt. Und dass sich künftig genug Personal für die Übertragung vom Maltesischen ins Estnische finden lässt, ist eher zweifelhaft. Daher wird es mehr "Relais-Übersetzungen" geben: erst ins Englische, Französische oder Deutsche, dann weiter. (DER STANDARD, Print, 17.8.2001)