Doch für einen Beethoven-Schubert-Abend der beiden ist kein Preis zu hoch. Und wenn Goerne und Brendel Schuberts Die Stadt oder Kriegers Ahnung singen, leben und leiden, vergisst man jegliches Ungemach, säße man auch im Krater des Ätna. Nach dieser Fernen Geliebten und nach diesem Schwanengesang sollte man keinen Liederabend mehr besuchen. Eigentlich braucht man überhaupt in kein Konzert mehr zu gehen.
Wenn Goerne singt und Brendel - begleitet kann man nicht sagen - das Klavier mitsingen lässt, dann entsteht Musik an sich. Spätestens wenn Goerne sich am Klavierdeckel festkrallt und geduckt, bedroht und bedrohlich zu "Wehe, den Fliehenden, Welt hinaus Ziehenden" aus Schuberts In der Ferne ansetzt oder wild auffahrend, schreiend vor dem Doppelgänger erschrickt, dann wird aus einem Liederabend Welttheater.
Dann wird aus Romantik Expressionismus, aus Vergangenheit Gegenwart. Plötzlich ahnt man auch, was Musik ist. Was Kunst kann, könnte. Vorausgesetzt, man beherrscht sie so virtuos wie Goerne und Brendel. Und wenn man sich von dieser Kunst so beherrschen lässt wie Brendel und Goerne - ihre Meisterschaft ist so groß, dass sie keine distanzierte Routine zulässt.
Mit gespannt erhobenen Brauen und bebenden Backen schafft Brendel das vor
Emotion vibrierende Szenario dieses Welttheaters, dem er durch reichliche
Verwendung des Pedals vieldeutige Konturen und irisierende Farben zuweist. Dazu
korrespondiert Goernes sattes Timbre, das seine Stimme mitunter so klingen
lässt, als reichte Brendels Pedalfuß bis an seine Stimmbänder.
Großes Theater ganz ohne Regisseur. Und alle waren glücklich. Das
Publikum und, wie man merkte, die beiden Musikmimen.