Berlin - Eine Woche vor der geplanten Sondersitzung des deutschen Bundestags zur Teilnahme der Bundeswehr am
Mazedonien-Einsatz der NATO ist die Zustimmung des Parlaments weiter offen. CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz sagte am
Mittwoch, für ein solches Votum fehlten "die wichtigsten Voraussetzungen". Sein Parteikollege Friedbert Pflüger erklärte, er halte das
NATO-Mandat nicht für verantwortbar. Auch die Spitze der FDP knüpfte eine Zustimmung an Bedingungen. Die Fraktionsvorsitzenden von
SPD und Grünen, Peter Struck und Kerstin Müller, zeigten sich dagegen zuversichtlich. Die Bundesregierung tritt nach Angaben aus
Regierungskreisen am Donnerstag um 14.00 Uhr zu einer Sondersitzung über die Entsendung von deutschen Soldaten nach Mazedonien
zusammen.
"Vertreibung"
Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hat den Plan der NATO zum Einsammeln der Waffen der albanischen UCK-Rebellen als
"unrealistisch und unehrlich" kritisiert. Keiner der Experten glaube, dass die albanische "Nationale Befreiungsarmee" in dreißig Tagen
entwaffnet sein könne, sagte Ströbele. Nach allem, was er wisse, werde er einer Entsendung deutscher Soldaten nach Mazedonien nicht
zustimmen. Der Politiker äußerte die Befürchtung, dass die UCK mit den ihr verbleibenden Waffen das tue, was sie schon im Kosovo getan
habe: "Die nicht-albanischstämmigen Mazedonier vertreiben", so dass es dann an der Grenze zum Kosovo Gebiete in Mazedonien gebe, in
denen nur noch Albaner wohnten.
Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Kerstin Müller, hat den Widerstand gegen einen NATO-Einsatz scharf kritisiert. Es sei
außenpolitisch verantwortungslos, dem kleinen Unterstützungsbeitrag der NATO zum Einsammeln der Waffen nicht zuzustimmen, sagte die
Grünen-Politikerin. Sie könne sich auch nicht vorstellen, dass die CDU/CSU "den Harakiri-Kurs von Frau (Parteichefin Angela) Merkel
durchhält, aus rein innenpolitischer Taktiererei außenpolitisch verantwortungslos zu handeln."
"Ehrliches Mandat"
Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Michael Glos, sagte im Deutschlandfunk, er werde seiner Fraktion vorschlagen, den Einsatz
abzulehnen. Die Union halte den Einsatz für zu riskant. Zudem sei unklar, wie lange er dauern werde. Die Bundesregierung sei "auf dem
Holzweg", wenn sie glaube, die Union werde ihr zu einer Mehrheit für den Einsatz verhelfen, sagte Glos. Pflüger erklärte, er könne sich nicht
vorstellen, dass seine Fraktion unter den derzeitigen Bedingungen einem Einsatz zustimme. Die Grundannahme des NATO-Beschlusses finde
er "schon sehr bestreitbar", denn dieser gehe davon aus, dass in Mazedonien Frieden herrsche. Er forderte ein "ehrliches Mandat", das über
die 30 Tage hinausgehe, und ein Gesamtkonzept zur Befriedung des Balkans. Auch der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion,
Paul Breuer, sagte, er könne nicht an eine freiwillige Waffenabgabe der UCK glauben.
SPD-Fraktionschef Peter Struck rechnet nach eigenen Angaben damit, dass bis zu fünf Abgeordnete seiner Fraktion im Bundestag gegen
einen Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr stimmen werden. Struck sagte am Dienstagabend in Kloster Zinna, rund fünf SPD-Parlamentarier
seien voraussichtlich nicht von dem NATO-Einsatz zu überzeugen. Dies würde aber die rot-grüne Mehrheit nicht gefährden. "Ich bin
überzeugt, dass wir eine eigene Mehrheit kriegen", betonte Struck. SPD und Grüne hätten im Bundestag eine Mehrheit von 16 Stimmen.
Hinsichtlich der rund 30 SPD-Abgeordneten, die eine Erklärung gegen den Einsatz unterschrieben haben, sagte er: "Wir werden viele
kritische Geister überzeugen." (APA/AP/Reuters)